Auf zu den Sternen

TOURISMUS Sind manche der Radfernwege objektiv schöner als der Durchschnitt? Einige zumindest haben sich durchchecken und ihre Qualitäten bescheinigen lassen. Und das ließ man sich durchaus auch etwas kosten

Fünf ADFC-Sterne haben bisher 3 Kandidaten errungen, 17 Routen dürfen sich mit vier Sternen zieren, 9 immerhin noch mit drei

VON HELMUT DACHALE

Wie viele sich aktuell durch Deutschland schlängeln, weiß keiner so genau. Selbst beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) scheint man den Überblick verloren zu haben. „Es werden bestimmt mehr als 200 sein“, schätzt Gabi Bangel. Aber die Radtourismus-Expertin des Bundesverbandes kann auch mit zwei konkreten Zahlen aufwarten: 23 Qualitätsrouten hierzulande, 6 in Österreich. „Unter all den Radfernwegen sind das die, die auch wir besonders herausheben“, so Gabi Bangel. Weil sie durch wundervolle Landschaften führen, weitab des Autoverkehrs? „Weil bei diesen Radwegen solche und andere Kriterien völlig transparent sind.“

Die Dokumentation ist kilometergenau

Vor etwa fünf Jahren hat der ADFC begonnen, Radwege zu zertifizieren. Heute spricht er lieber von Klassifizierung. Wie auch immer: Das Prozedere wird von Routen-Inspekteuren des Rad-Clubs durchgeführt. Sie begutachten die gesamte Route, indem sie die Strecke in 50-Kilometer-Etappen abradeln. Und sie bewerten: ob Autos den Radtouristen in die Quere kommen, ob genügend Bahnhöfe schnell erreichbar sind, ob die Wege wirklich so beschaffen sind, dass sie auch mit üblicher Bereifung zu bewältigen sind. Punkte werden in acht Kategorien vergeben, von denen einige stärker ins Gewicht fallen als andere. So geht die Verkehrsbelastung mit 20 Prozent ins Gesamtergebnis ein, die Routenführung nur mit 5 Prozent. Der Betreiber des Radwegs erhält eine kilometergenaue Dokumentation, aus der ersichtlich ist, ob er sein Angebot ab sofort mit Sternen schmücken darf. Fünf ADFC-Sterne, das Nonplusultra, haben bisher lediglich 3 Kandidaten errungen: der Klassiker „Liebliches Taubertal“, der Main-Radweg und der Radweg um den österreichischen Teil des Neusiedler Sees. 17 Routen dürfen sich mit vier Sternen zieren, 9 Routen immerhin noch mit drei Sternen.

„Es gibt Radfernwege, bei denen die Betreiber erst mal nachgebessert haben, um einen Stern mehr zu bekommen. Und erst dann sind sie damit in die Öffentlichkeit gegangen“, verrät Gabi Bangel. Dennoch dürfte das freiwillige Klassifizierungsverfahren hauptsächlich von den Touristikern gewagt werden, die von der Güte ihres Radwegs überzeugt sind und sich das vom ADFC aus PR-Gründen lediglich testieren lassen wollen. Wer dabei sein will, hat nachzuweisen, dass der gesamte Radfernweg einen einheitlichen Namen trägt und wenigstens über 100 Kilometer verläuft. Und die Verantwortlichen müssen gewillt sein zu investieren.

Pro angefangene 50 Kilometer verlangt der ADFC 690 Euro. Die Deutsche Fußballroute, ein sogenannter Erlebnisradweg in Nordrhein-Westfalen, ist mit seinen 800 Kilometern der längste der 29 vom ADFC bisher klassifizierten Wege.

Begutachtung und Verleihung von vier Sternen haben sich die Betreiber somit rund 11.000 Euro kosten lassen. Dazu kommen Gebühren für die Nutzung des Qualitätssiegels: 2.400 Euro für drei Jahre. Danach ist erst mal Schluss mit der Besternung. Es sei denn, man geht in ein Anschlussverfahren, bei dem alles wieder mit dem ersten Kilometer beginnt und alles wieder vors Röntgengerät kommt.

Wie demnächst beim RuhrtalRadweg. Der ist 2010 mit vier Sternen bedacht worden, und die soll er behalten – unbedingt, sagt Sascha Thiemann, als Produktmanager der Ruhr Tourismus GmbH zuständig für die Vermarktung der 230 Kilometer langen Strecke vom Sauerland bis nach Duisburg: „Eine in unserem Auftrag durchgeführte Evaluation hat beeindruckende Zahlen ergeben. Innerhalb eines Jahres waren 1,1 Millionen Radtouristen auf dem Weg unterwegs, 150.000 haben in Unterkünften entlang der Strecke übernachtet.“

Thiemann führt das nicht zuletzt auf den offensiven Umgang mit der Auszeichnung zurück. Ein Wettbewerbsvorteil, den das Gros der Radfernwege nun mal nicht hat. Und so sprechen die Ruhrtal-Vermarkter in einer speziellen Evaluations-Broschüre auch von „wirtschaftlichen Effekten“, die dem Gastgewerbe, dem Einzelhandel und Dienstleistern zugutekämen.

Transparente Kriterien, Radtourismus zu fördern

Und was ist mit den Radtouristen, was haben sie von den Sternen? „Sie können genau feststellen, warum die Sterne vergeben worden sind. Sie erhalten abgesicherte Detailbewertungen, zum Beispiel über die Anbindung an den öffentlichen Verkehr, die Befahrbarkeit der Strecke oder die Ausschilderung“, so Sascha Thiemann.

Der ADFC versteht seine Klassifizierungskampagne auch als Animation für Länder und Kommunen, die regionalen Bedingungen für den Radtourismus zu verbessern. Als Möglichkeit, hervorragende Radwege von anderen zu unterscheiden. Also, meint Gabi Bangel, profitierten davon vor allem die Heerscharen von Menschen, die einen Radurlaub planten: „Wir liefern ihnen unabhängige Entscheidungshilfen, auf die sie sich verlassen können.“