Proteste gegen Mobilmachung

Hunderte Menschen werden in Russland bei Demos festgenommen. Prominente kritisieren Einberufungen

Wenige Tage nach der angekündigten Teilmobilmachung hat Russland die Strafen für Deserteure verschärft. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Samstag eine Gesetzesänderung, die zu Zeiten einer Mobilmachung bis zu zehn Jahre Haft für Soldaten vorsieht, die desertieren oder vor dem Feind kapitulieren. Seit der Ankündigung einer Teilmobilmachung zur Einberufung von 300.000 Reservisten am Mittwoch häufen sich die Proteste im ganzen Land. „Wir sind kein Kanonenfutter“, rief am Samstag eine junge Frau in Moskau, die von Polizisten abgeführt wurde. Insgesamt wurden in 32 Städten mehr als 700 Menschen festgenommen, wie die Organisation OWD-Info mitteilte, die Festnahmen in Russland dokumentiert.

Zudem kommt Kritik nun auch von offizieller Seite. Der Chef des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten, Waleri Fadejew, forderte Verteidigungsminister Sergei Schoigu auf, das „Knüppelsystem“ vieler Einberufungsstellen im Land zu beenden. Männer ohne Kampferfahrung und Familienväter sollen Einberufungsbefehle erhalten haben, teilweise um zwei Uhr morgens – „als hielten sie uns alle für Wehrdienstverweigerer“, kritisierte Fadejew.

Die Chefredakteurin des Staatssenders RT, Margarita Simonyan, wetterte auf ihrem Telegram-Kanal gegen das chaotische Vorgehen der Behörden. „Sie machen die Leute wütend, als ob sie das absichtlich tun, als ob sie es aus Bosheit tun. Als ob sie von Kiew geschickt worden wären“, so Simonyan.

Am Samstag bestätigten die russischen Behörden erstmals eine Zunahme von Ausreisen. „Es gibt einen erheblichen Andrang privater Fahrzeuge“, erklärte das Innenministerium der Grenzregion Nordossetien. „Um die 2.300“ Fahrzeuge warteten darauf, die Grenze nach Georgien zu passieren. Auch an Grenzübergängen zu anderen Nachbarländern wie Kasachstan und der Mongolei bildeten sich lange Autoschlangen. Die meisten Direktflüge in Länder ohne Visumsanforderungen für Russen sind bereits ausverkauft. Am Donnerstag hatte der Kreml Berichte über eine Flucht wehrfähiger Russen noch als „falsch“ zurückgewiesen.

Derweil hat die tschechische Ratspräsidentschaft die Botschafter aller 27 EU-Länder für Montag zu Beratungen zusammengerufen, wie mit russischen Deserteuren umzugehen sei. Das Bundesamt für Migration und und Flüchtlinge (Bamf) verwies auf Schutzmöglichkeiten in Deutschland: „Deserteure, die von schweren Repressionen bedroht sind, erhalten in der Regel internationalen Schutz in Deutschland“, sagte ein Vertreter der Behörde dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. (afp, epd, rtr)

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