Cannabis-Legalisierung: Chaos um legalen Bubatz

Die Ampel will Cannabis legalisieren, nun gibt es angeblich ein erstes Eckpunktepapier. Es folgen Verwirrung und Empörung auf allen Seiten.

Hanfparade: Aktivisten ziehen ein große4s Cannabis-Blatt auf einem Wagen hinter sich her

Die Hanfparaden der letzten Jahre zeigen wohl ihre ersten unkonzentrierten Wirkungen Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Seit Monaten ringt die Ampel um einen Entwurf, der die Türen für die Legalisierung von Cannabis öffnen soll. Am Mittwoch sorgte nun ein angebliches Eckpunktepapier für Wirbel und Verwirrung. Sollte das nun wirklich der erste ernsthafte Wurf sein? Denn im Kern entspricht dieses Papier eigentlich gar nicht dem Diskussionsstand führender Dro­gen­po­li­tik­ex­per­t*in­nen und Ge­sund­heits­po­li­ti­ke­r:in­nen der Ampelparteien.

Aufgeführt ist dort, dass der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein soll. Die THC-Obergrenze soll zudem 15 Prozent nicht überschreiten, bei jungen Leuten unter 21 Jahren gar nur 10 Prozent. Und zwei Pflanzen im Eigenanbau sollen erlaubt werden.

Den Entwurf in die Welt gespült hatte das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Auf taz-Anfrage dementierte das Bundesgesundheitsministerium das Papier jedoch deutlich. „Es gibt weder ein abgestimmtes Eckpunktepapier, noch ist dies vom BMG alleine verfasst worden“, lässt ein Sprecher mitteilen. Fünf Ministerien sind mit dem Papier befasst: Neben dem Gesundheitsministerium, auch das Bundesernährungsministerium, das Wirtschaftsministerium, das Auswärtige Amt und das Bundesjustizministeriums.

Diese arbeiteten mit Hochdruck daran, den Koalitionsvertrag umzusetzen, heißt es weiter. Darin hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in ein Gesetz gießen zu wollen.

Papier mit Überraschungseffekt

Aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilte eine Sprecherin der taz ähnliches mit: „Um das Koalitionsvorhaben einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften umzusetzen, arbeitet die Bundesregierung unter Gesamtfederführung des Bundesministeriums für Gesundheit derzeit intensiv an einem Eckpunktepapier, das als Grundlage für einen Gesetzentwurf dienen soll.“ In dieses Papier würden die Ergebnisse des Konsultations- und ressortübergreifenden Arbeitsgruppenprozesses einfließen.

Für die Ärztin und drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Kirsten Kappert-Gonther, kam das nun kursierende Eckpunktepapier überraschend. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte für Ende Oktober ein entsprechendes zwischen den Ministerien abgestimmtes Papier angekündigt. „Darauf warten wir nun“, sagte Kappert-Gonther der taz. Die Grünen-Politikerin setzt aber darauf, dass die Vorlage aus den Ministerien sich deutlich unterscheidet von einzelnen Punkten, die jetzt öffentlich sind.

„Eine THC-Obergrenze macht keinen Sinn“, sagte Kappert-Gonther. Dies halte Kon­su­men­t:in­nen weiter auf dem Schwarzmarkt. Das konterkariere das zentrale Ziel des Jugend- und Gesundheitsschutzes. Auch der Eigenanbau von zwei Pflanzen sei zu restriktiv. Aber: „Ich begrüße, dass der Eigenanbau überhaupt auftaucht“, so Kappert-Gonther. Der bisherige Zeitplan sieht vor, dass bis Ende des Jahres ein Gesetz vorliegt, das im parlamentarischen Verfahren dann beraten wird.

Scharfe Kritik kommt auch von den Liberalen. Für Kristine Lütke, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP, ist das kolportierte Eckpunktepapier insgesamt „unnötig restriktiv“. Die THC-Obergrenze, eine Besitzgrenze von 20 Gramm und eine striktere Regulierung bis 21 Jahre werde Kon­su­men­t:in­nen auf den Schwarzmarkt treiben. Dies sei eine Katastrophe für Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz.

Bis Ende des Jahres soll ein Gesetzentwurf vorliegen

Ähnlich argumentiert Hubert Wimber. „Die THC-Obergrenze ist unsinnig, sie würde nur die schon jetzt bestehende Doppelmoral verfestigen. Kein Mensch verlangt, dass z. B. nur Getränke mit maximal 30 Prozent Alkohol verkauft werden dürfen“, sagte der ehemalige Polizeipräsident von Münster und Gründer und Vorsitzender von LEAP Deutschland e. V. (Law Enforcement Against Prohibition) der taz. Auch die 20-Gramm-Obergrenze für Besitz hält er für falsch.

„Das ist viel zu niedrig angesetzt.“ Es gehe bei der Legalisierung auch darum, den Kontrollaufwand der Strafverfolgungsbehörden zu minimieren. „Das schaffen diese Regelungen nicht. Diese Eckpunkte wären, wenn das wirklich ernst gemeint wäre, vollkommener Murks.“

Die CSU nutzt das Papier für eine Neuauflage ihrer altbekannten Kritik. „Die Bundesregierung gefährdet mit der Freigabe von Cannabis Jugendliche, die ohne Konsequenzen konsumieren dürfen“, twitterte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Die Ampel schaffe Anreize für Einsteiger und riskiere, dass Millionen Menschen in weitere Drogenabhängigkeiten geraten würden.

Lauterbach zufolge konsumieren rund vier Millionen Erwachsene Cannabis. Straffrei kiffen könnte spätestens 2024 in Kraft treten.

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