Kersten Augustin
Materie
: In Hamburg sagt man 再见

Foto: Regentaucher

Kennen Sie den Hamburger Hafen? Okay, dumme Frage. Aber ich meine nicht die Folkloreveranstaltung an den Landungsbrücken mit überteuerten Fischbrötchen, sondern das andere Elbufer: die Kräne und Terminals, das Logistikmonster. Hamburg hat an Wahrzeichen nicht so viel zu bieten wie Berlin, München, Köln. Außer eben dieses Symbol des globalen Welthandels.

Nun möchte Olaf Scholz offenbar unbedingt einen Teil des Hafens an einen chinesischen Staatskonzern verkaufen, gegen den Willen aller damit befassten Ministerien. Falls Sie gerade eine spontane Erinnerungslücke haben: Olaf Scholz ist ehemaliger Hamburger Bürgermeister und Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Ein Mann, der über sich selbst behauptet, er sei sich schon „immer sicher“ gewesen, dass Russland die Energieversorgung als Waffe nutzen werde. Scholz scheint davon auszugehen, dass sein Wahlvolk sich genauso schlecht erinnern kann wie er selbst, wer die politischen Wegbereiter von Nord Stream 2 waren. Als wären wir Goldfische, die in einem Aquarium in de Warburg-Bank herumschwimmen.

Olaf Scholz will nun also sogenannte kritische Infrastruktur nicht an Russland, aber an eine andere Diktatur verkaufen, und alle, die sonst gern von Liberalismus sprechen, sind in großer Aufregung. Das ist ein bisschen lustig, weil es auch die deutsche Bundesregierung war, die Griechenland in der Krise zwang, seinen Hafen in Piräus an China zu verkaufen. Globalisierung und Freihandel sind keine Einbahnstraße, liebe Fans der freien Marktwirtschaft! Warum sollten nur Staatskonzerne aus dem Westen das Recht haben, im Süden auf Shoppingtour zu gehen, Autofabriken zu bauen und Gaspipelines in Afrika zu finanzieren?

Wir sollten den chinesischen Staat in Hamburg also mit offenen Armen empfangen. Und es gibt in der Hansestadt noch ein paar weitere Dinge, die dringend verkauft werden sollten. Hier eine unvollständige Liste:

1. Der Hamburger Sportverein: Der Markt hat geregelt und deshalb ist der Verein aus Stellingen seit einigen Jahren zweitklassig. Nun braucht es einen Investor, der ihn rettet. Mit Michael Kühne hat es schon eine andere zwielichtige Gestalt aus dem Hafengewerbe nicht geschafft, jetzt könnten es die Chinesen mal versuchen.

2. Hagenbecks Tierpark: Hagenbeck ist ein sehr schöner Zoo mit tollen Tieren – und ein Symbol des deutschen Kolonialismus. Hier werden exotische Tiere aus dem Süden ausgestellt, vor über hundert Jahren aber auch Menschen aus Kolonien. Es wäre eine schöne Pointe, wenn dieser Ort nun in den Osten verkauft wird. Man könnte dort dann exotische Dinge aus Deutschland ausstellen: Schäferhunde zum Beispiel oder Schauspieler aus dem König-der-Löwen-Musical.

Kersten Augustin ist Redakteur der taz am wochenende.

3. Das Hamburger Wetter: Dieser verdammte Nieselregen ist einfach nicht mehr konkurrenzfähig auf dem globalen Markt. Und China hat Erfahrung damit, das Wetter zu beeinflussen. Wolkenloser Himmel bei den Olympischen Sommerspielen, bergeweise Kunstschnee im Winter: So wird Hamburg attraktiv für Touristen.

4. Das Vermögen der Familie Augstein: Egal ob Villen im Elbvorort oder Anteile an Hamburger Medienhäusern: Wenn Sohn Jakob glaubt, dass man unbedingt mit Diktaturen verhandeln sollte, kann er ja selbst damit anfangen.