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Wenn Autofahrer einfach zu höflich sind

Rendsburg

29.000 Ein­wohner*innen.

In der am Nord-Ostsee-Kanal gelegenen Stadt in Schleswig-Holstein fährt man meist Auto: Laut Statistischem Jahrbuch von 2018 kamen auf 1.000 Einwohner*-innen 623 Pkw, der Landesschnitt lag bei 573.

Alle schimpfen über die Aggression im Straßenverkehr. Ich habe ein Höflichkeitsproblem.

Da gibt’s in Rendsburg diese Kreuzung in meinem Viertel, an der die weniger befahrene Route die Haupt- und die stärker befahrene die Nebenstraße ist. Der Effekt ist, dass alle Beteiligten sich dieser Kreuzung langsam nähern: Wer auf der Nebenstraße fährt, muss stoppen, und wer auf der offiziellen Hauptstraße unterwegs ist, muss fürchten, dass die anderen das Nebenstraßenschild übersehen.

Ich will an dieser Kreuzung meist mit meinem Fahrrad von der Nebenstraße nach links abbiegen, sollte also als Letzte fahren. Aber ziemlich oft passiert es, dass die Autos mich vorlassen. Meist sind es die größeren Modelle, und die Autofahrer – ja, eigentlich immer nur Männer – zeigen mir mit einem Wink, dass ich fahren darf.

„Nett“, findet mein Freund. Aber für mich sieht es immer so aus, als hielten sie mich mit meinem Fahrrad für irgendeine niedliche Spezies, für die die Verkehrsregeln nicht gelten. Ich wünsche mir mehr Räder in meiner Kleinstadt – so viele, dass die Au­to­fah­re­r*in­nen genervt von ihnen sind. Esther Geißlinger