Mehr als nur Kontrollfreaks

Trainer Xabi Alonso stabilisiert Bayer Leverkusen in der Defensive. Gegen den VfB Stuttgart gelingt bereits derdritte Sieg in Serie. Jetzt will er sein Team in der Pause endlich näher kennenlernen und schöneren Fußball spielen

Erst einmal sicher runterholen: Lerkusens Jonathan Tah von Waldemar Anton Foto: imago

Aus LeverkusenAndreas Morbach

Über die feinen Umgangsformen von Xabi Alonso hat sich die Leverkusener Führungsriege in den letzten fünf Wochen wiederholt positiv geäußert. Der neue Übungsleiter der Werkself ist zum Beispiel sehr kommunikativ, nutzt jede Gelegenheit, um seinen Spielern während einer Partie ein paar kurze Verbesserungsvorschläge zu machen. Auch am Samstag winkte er zwischendurch immer wieder einen, gern auch mal zwei Bayer-Profis zu sich heran. Und die Anweisungen wirkten: Mit dem 2:0 gegen allerdings völlig harmlose Stuttgarter gelang Alonsos Team der dritte Sieg binnen sechs Tagen, gefolgt von einem rührenden Geständnis des Trainers. „Ich war vor dem Spiel ein bisschen nervös“, erzählte Alonso – und begründete seine Aufregung mit dem glücklichen Derby-Erfolg vom vergangenen Mittwoch.

Durch den emotionalen Sieg in Köln sei seine Mannschaft in einer „schwierigen Situation“ gewesen, erläuterte der gebürtige Baske. Die haben die Leverkusener gemeistert – nicht sonderlich aufregend, aber sehr solide. Und vor allem dank der rasanten Herren Moussa Diaby und Jeremie Frimpong ging es in der BayArena zumindest in einzelnen Momenten auch mal spektakulär zu.

Ein Erfolgs-Hattrick gelang in dem kompakten Programm vor Beginn der WM in Katar neben den Rheinländern nur den Bayern, Leipzig und Wolfsburg. Das sind allesamt Konkurrenten, um die herum die Leverkusener sich im Tableau üblicherweise bewegen. Nun steuern sie nach ihrem miserablen Saisonstart immerhin schon mal die obere Tabellenhälfte an. Sodass Señor Alonso vor dem Gang in die lange Winterpause vermeldete: „Das ist noch nicht genug. Ich will ein bisschen mehr.“

Ein bisschen besser kennenlernen wird der 40-jährige Spanier nun auch Florian Wirtz. Bayers Ausnahmefußballer war einer von 17 Spielern, die am Sonntag zu einer fünftägigen Marketingtour nach St. Louis im US-Bundesstaat Missouri aufbrachen. Zwar hatte Wirtz nach seinem im März erlittenen Kreuzbandriss bereits vor drei Wochen teils wieder im Training mitgemacht. Viel Zeit, um sich mal eingehender miteinander zu beschäftigen, blieb seit Alonsos Einstieg Anfang Oktober im Stakkato-Rhythmus der Spiele aber nicht.

Noch genauer studieren können Wirtz und seine Teamkollegen ab sofort auch die Gene, die Xabi Alonso aus seiner aktiven Fußballerzeit in den jetzigen Job mit hinübergenommen hat. Er sei früher Mittelfeldspieler gewesen, entsprechend poche er auch als Trainer auf eine „gute Kontrolle“ auf dem Rasen, betont der Weltmeister von 2010 – für den nach der schlimmen ersten Hälfte seines Ensembles in Köln in der Vorwoche aber auch der Moment gekommen war, seine Selbstkontrolle beiseitezuschieben und Bayers Kicker mal ordentlich anzufauchen.

„Das ist noch nicht genug. Ich will ein bisschen mehr“

Xabi Alonso

„Xabi hat versucht, etwas Feuer reinzubringen, das hat er geschafft. Da war ein bisschen spanisches Blut und Leidenschaft drin. Er wurde schon lauter“, berichtete Kapitän Lukas Hradecky von einer impulsiven Halbzeitansprache des Trainers, der nun Zeit bekommt, sein Team genauer zu formen.

„Für uns wird sich das fast wie die Vorbereitung auf eine Saison anfühlen. Die Winterpause wird sehr gut für uns sein“, hatte Alonso bereits vor dem letzten Spiel in diesem Jahr erklärt. Und danach sagte er: „Wir haben jetzt Zeit zu arbeiten. Unser Ziel ist es, noch besseren Fußball zu spielen.“ Defensiv stabilisiert hat der Mann, den Bayer-Boss Fernando Carro als „sehr fokussierten Forderer und Förderer“ bezeichnet, den tief gefallenen Vorjahresdritten schon mal. Wenn die Bundesliga in der zweiten Januarhälfte ihren Spielbetrieb wieder aufnimmt, will der Coach auf seiner ersten Trainerstelle bei einem Erstligaklub dann zudem ein Team präsentieren, das in jeder Partie „kämpft, aber auch gut spielt“. Oder anders ausgedrückt: „Unser Ziel ist eine gute Balance zwischen Kontrolle und Angriff.“

Und sollte das mal wieder so gar nicht klappen, gibt es zwischendurch eben eine Standpauke wie zuletzt in Köln. Sportdirektor Simon Rolfes, der maßgeblich die Verpflichtung von Alonso vorangetrieben hatte, prophezeite mit Verweis auf dessen „enorme Power“ schon vor einigen Wochen: „Er ist der Mann, der bei uns das Feuer zurückbringt.“