Vom Sieg über die Aufregung

DRITTE LIGA Eintracht Braunschweig schafft mit Mühe ein 2:1 gegen Ingolstadt und hat erst einmal Ruhe vor seinen anspruchsvollen Fans. Entscheidenden Einfluss hatte ein 19-jähriger Nachwuchsspieler im ersten Liga-Einsatz

Die Ruhe von Nachwuchsspieler Kragl, der von seinem ersten Einsatz nur Stunden zuvor erfahren hatte, übertrug sich auf die ganze Mannschaft

VON CHRISTOPH ZIMMER

Sie gehört zum Geschäft, die Aufregung. Das ist überall so. In Braunschweig ganz besonders: Nach einem vielversprechenden Saisonstart und dem zwischenzeitlichen Sprung an die Tabellenspitze der dritten Fußball-Bundesliga ist Eintracht Braunschweig nach einem mühsamen, aber verdienten 2 : 1 gegen Ingolstadt auf Position sieben angekommen. Da, wo die Verantwortlichen ihre Mannschaft vor der Saison gesehen haben.

Die Ruhe nach diesem Ergebnis, dem drei hintereinander verlorene Spiele vorausgegangen waren, der Sturz auf Platz zehn der Tabelle und heftige Kritik aus dem Umfeld des Vereins, dürfte dennoch nur kurzfristig sein. Die besondere Braunschweiger Aufregung hat mit der Geschichte der Eintracht zu tun, die in der deutschen Meisterschaft 1967 ihren lange zurückliegenden Höhepunkt fand.

Die Zuschauer sind kritischer, Niederlagen verdaut man hier schwerer als anderswo. Sie pfeifen die Spieler aus, wenn denen etwas nicht gelingt. Dabei spielen die Spieler so, wie Spieler in dieser Liga nun einmal spielen. „Die Tabellenführung war immer nur eine Momentaufnahme“, sagt Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht. Die Erfolge von damals aber bilden die Grundlage für den Anspruch von heute.

Heute, das heißt sportliche und finanzielle Konsolidierung im Niemandsland der dritten Liga: Der Etat wurde vor der Saison praktisch halbiert, auf 2,8 Millionen Euro, wichtige Spieler abgegeben.

Pass und Flanke, Schuss und Tor. So einfach, wie es ein Transparent in der Südkurve des mit nur 10.340 Zuschauern mäßig gefüllten Stadions an der Hamburger Straße verlangte, kann Fußball sein. Eine Flanke gab es zwar nicht, dafür aber einen langen Abschlag vom sicheren Schlussmann Marjan Petković, den Dennis Kruppke geschickt weiterleitete zu Oliver Kragl, 19, der in Bedrängnis zum Ausgleich traf (34.). Es sollte mehr sein als nur eine Momentaufnahme im Braunschweiger Spiel, das durch den Gegentreffer von Moritz Hartmann (27.) einen frühen Rückschlag hatte hinnehmen müssen und in der Folge verunsichert, ungeordnet und schwerfällig gewirkt hatte.

Die Ruhe von Nachwuchsspieler Kragl, der von seinem ersten Einsatz nur Stunden vor dem Spiel erfahren hatte, übertrug sich dann auf die Mannschaft im Allgemeinen – und auf Dennis Kruppke im Besonderen: Er sorgte drei Minuten vor Schluss mit einem sicher verwandelten Handelfmeter für die Entscheidung. „Nach dem Ausgleich waren wir noch griffiger, noch entschlossener“, sagte Kruppke später über sein Tor, das er ohne diese Vorgeschichte vielleicht nicht so leichtfüßig erzielt hätte.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Kritik reagierte der ansonsten sortiert wirkende Trainer auch nach dem Spiel ungewohnt dünnhäutig und wortkarg. Sagte, dass die auf vielen Positionen veränderte Mannschaft zwar auf einem guten Weg sei, aber nach wie vor auch in der Findungsphase. Der Trainer weiß das, das unruhige Umfeld weiß es nicht. Die Vereinsverantwortlichen haben Rückschläge eingeplant. Die Zuschauer nicht.

Warum ausgerechnet Oliver Kragl getroffen hatte, glaubte Braunschweigs sportlicher Leiter Marc Arnold zu wissen: „Er war unbelastet und hat von dem Druck, der vor dem Spiel auf der Mannschaft lastete, nichts mitbekommen.“ Er habe sich eben nicht so viele Gedanken gemacht und einfach Fußball gespielt. Gedanken darüber, wie er seinen Auftritt und die Perspektiven der Eintracht kommentieren sollte, musste Kragl sich auch keine machen: Vor die Kameras ließen sie den unbekümmert auftretenden Nachwuchsspieler nach dem Schlusspfiff nicht. Auch in die Notizblöcke der wartenden Reporter sollte er keine Sätze diktieren.

Vielleicht wollen sie diese Unaufgeregtheit ja unter allen Umständen bewahren – in Braunschweig, wo die Aufregung zum Geschäft gehört.