taz-Thema der Woche

Oskar weg. Alles gut?

■ betr.: „Böcke sollen sich vom Acker machen“, taz vom 23. 5. 12

Nachdem sich bei den Piraten nicht unerhebliche Teile als CDU/CSU/SPD/Grünen-nah, also als konservativ rechts geoutet haben, könnte es mit Katja Kipping und Katharina Schwabedissen bei den Linken wieder bergauf gehen. Katja Kipping scheint mir eine Aufrechte zu sein, ihre Kollegin kenne ich noch nicht. Wahl verloren ist nicht per se gleichbedeutend mit schlechter Arbeit. Es ist schon erschreckend, mit welcher journalistischen Wucht überall erneut auf Lafontaine beredt eingedroschen wird. Für mich ist sein Rückzug ein strategischer Zug zum Wohl der Partei.

hermeneut, taz.de

■ betr.: „Bartschs Bürde“, taz.de vom 23. 5. 12

Gewagte These, die auch vollständig unbelegt bleibt, dass die Wähler der Linken im Westen, die bei den letzten Landtagswahlen zu Hause geblieben sind, zur Wahl gegangen wären, wenn zwei Frauen die Partei geleitet hätten.

Die Linke kratzt an dem ab, an dem auch schon die DDR verstorben ist: mangelnde Flexibilität. Mit Themen von gestern kann man keinen Wahlkampf von heute gewinnen.

Eventuell wäre es sinnvoller, sich mal die anderen linken Parteien im Ausland anzugucken, wie die das machen. Eine weibliche Doppelspitze sehe ich da nirgendwo. Arne, taz.de

■ betr.: „Jung und weiblich favorisiert“, taz.de vom 23. 5. 12

Der heutige Common Sense, hinter dem sich die wirkkräftigste gegenwärtige Ideologie verbirgt und der alle Parteiungen eint, beschwört die sogenannte Frauenpower. Den Muttis und den jungdynamischen Teamspielerinnen wird heute von allen Seiten ideologiefreier Pragmatismus und Abwesenheit von männlicher Hahnenkampfmentalität attestiert. Weit gefehlt! Die Zersetzung politischer Inhalte zugunsten formaler Repräsentanz mit den Imperativen „gut rüberbringen“, „sympathisch erscheinen“, „Transparenz garantieren“ (heute eine Ideologie, die sinnentleert den Piraten zugute kommt) schreitet weiter voran. Die Damenpower, die jetzt von rechts bis links die Köpfe vernarrt, ist ein kräftiger weiterer Sargnagel an wirklicher linker Politik. schiba, taz.de

■ betr.: „Doch nicht unersetzlich“, taz.de vom 22. 5. 12

Klar, über die Linke gibt es ja auch sonst nix zu sagen, außer dass sie die einzige Partei ist,

– die den Fiskalpakt und den ESM ablehnt und stattdessen auf ein vollkommen logisches Modell aus solidarischer Unterstützung der einzelnen EU-Mitglieder (wider die Spekulantengeier, die die Risikoaufschläge nach oben treiben) und Konjunkturbelebung setzt.

– deren Forderungen von der Regierungskoalition immer wieder nach vorheriger Totalablehnung und Häme schlicht abgekupfert werden, spätestens, wenn die Situation keine andere Wahl mehr zulässt. Siehe ESM, siehe die (schwachen Versuche) der Bankenregulierung nach 2008, siehe die unsägliche Mindestlohndiskussion, die jetzt plötzlich auch von CDU-Hardlinern aufgenommen wird. Die aktuellen Verwerfungen rund um Griechenland zeigen, wie unfassbar teuer die merkelsche Salamitaktiererei werden kann.

– die eine tatsächlich an den Interessen der Arbeiter, Angestellten, Rentnern und Arbeitslosen orientierte Politik im Auge hat. Die verheerenden Konsequenzen der Agenda 2010 werden allein von Linken gesehen.

Aber wen wundert das? In der deutschen Presse wird ja erst mit zwei Jahren Verzögerung das Spardiktat Merkels als solches wahrgenommen. Über die Bankenkrise, und deren vorläufigen Höhepunkt 2008 war im Vorfeld so gut wie nichts Greifbares in der deutschen Presse zu lesen. Das Schicksal der vom Spardiktat gebeutelten EU-Mitglieder und deren Bevölkerungen? Selbst im neoliberalen Musterland No. 2, Österreich, wird darüber diskutiert, in der deutschen Presse? Fehlanzeige. Da verwundert die Vehemenz nicht, mit welcher der einzige politische Stachel im selbstgefälligen Fleisch der Berliner Politmarionetten bekämpft wird. GWalter, taz.de

■ betr.: „Jung und weiblich favorisiert“, taz.de vom 23. 5. 12

Neue, attraktive, junge Gesichter könnten der Linkspartei helfen, das Image der „kinderfressenden Kommunisten“ loszuwerden, das der Partei ja immer noch angedichtet wird. Kipping und Schwabedissen könnten es vielleicht auch schaffen, mehr junge Wähler anzusprechen, als die alten Patriarchen. Schön wäre aber, wenn bei den beiden Kandidatinnen auch letztlich etwas mehr herumkäme als bloße Fundamentalopposition. Lafontaine hat viel Respekt verdient für das, was er mit und für die Linkspartei erreicht hat, und ich halte ihn für einen der kompetentesten (Finanz-)Politiker dieser Republik. Dass sein kürzliches Vorgehen in der Kandidatenfrage aber in der Tat einen unguten Beigeschmack hatte, ist leider auch wahr. Dies hilft der Partei des Demokratischen Sozialismus auch nicht dabei, die Lage der Menschen durch parlamentarische Macht zu verbessern. Daher ist es wohl ein guter Schritt für die Partei, neue Köpfe zu präsentieren. Davon abgesehen ist Lafontaine auch nicht mehr der Jüngste, und eine Partei, die sich Demokratischen Sozialismus auf die Fahnen schreibt, darf auch nicht zu einer One-Man-Show verkommen. Nils, taz.de

■ betr.: „Opfer seiner sagenhaften Eitelkeit“, taz vom 23. 5. 12

„Er, der […] viel riskiert und geopfert hat dafür, dass die Unterprivilegierten auch im Westen trotz einer Schröder-SPD eine Stimme haben“, schreiben Sie. Hallo, die Linke ist eine Kaderpartei, welche Stimme gibt die Partei Unterpriviligierten, was tat insbesondere ein Oskar dafür? Nur weil eine Partei massiv auf Hartz IV einschlägt, macht sie sich noch lange nicht zur Stimme der Betroffenen. Die Linke reklamiert gerne, die Stimme der Unterprivilegierten zu sein. Die FDP reklamiert für sich, die Stimme der Leistungsträger zu sein – nur ist die FDP nicht die Stimme der Träger und Schaffer des Wohlstands hier (das sind nämlich Menschen aus allen Einkommensgruppen, die jeden Morgen aufstehen und denken, pflegen, bauen, putzen). Aber weder Linke noch FDP werden ihrem Anspruch gerecht, beides sind Parteien, in denen selbstgefällige Karrieristen auf dem Rücken ihrer ausgerufenen Zielgruppe agieren. Xriss, taz.de

■ betr.: „Lafontaine geht schon wieder“, taz vom 23. 5. 12

Ihr wiederholt die alten Lügen: Erstens die vom Putsch gegen Scharping (seit wann ist eine mitreißende Rede, die die Delegierten davon überzeugt, dass dieser Mann im Gegensatz zum bisherigen Vorsitzenden die SPD und ihre Wähler aus ihrer Resignation wecken kann, etwas anderes als das normale demokratische Mittel, sich einzubringen?); zweitens die vom Hinschmeißen wegen Schröder (als hätte es nicht Schröders Kollusion mit Bild gegeben, um Lafontaines Finanzpolitik unter anderem gegen den Casinokapitalismus zu desavouieren); drittens die vom Kneifen gegen Bartsch (als hätte nicht auch die taz selbst vor einer Kampfabstimmung und der Stimmungsspaltung innerhalb der Linken gewarnt). Und selbst die verlorene Wahl gegen Kohl wird in eine Reihe – von was eigentlich, seiner Unzuverlässigkeit etwa? – gestellt (als hätte er damals den Wahlkampf nicht trotz des Attentats auf ihn weitergeführt, und als hätte Kohl nicht auch wegen seiner Lüge gewonnen, dass die Währungsunion dem Osten blühende Landschaften bringt.

Was also fehlt, ist jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit Lafontaines Politik (meinetwegen auch mit seiner einstigen deutschtümelnden Rede von den Fremdarbeitern) und seinen von ihm geäußerten Handlungsgründen. Stattdessen die Reduzierung auf beleidigende Persönlichkeitszuschreibungen. ALFRED K. WEBER, Herold

■ betr.: „Opfer seiner sagenhaften Eitelkeit“, taz vom 23. 5. 12

Konnte es eine bessere Inszenierung als diesen Rückzug geben, um die Entscheidung für die Partei auf die Spitze zu treiben, entweder eine Block(Ost)partei zu sein oder eine Linke, die diesen Namen auch verdient? Gegen die Verbartschelung der Partei, und um sich für die SPD aus der Schusslinie zu nehmen, das ist doch beste politische Taktik. Für solch ein Ziel nimmt man auch die Häme von Bild und Spiegel, taz und Freitag in Kauf. HANS-JÜRGEN KAPUST, taz.de

■ betr.: „Opfer seiner sagenhaften Eitelkeit“, taz 23. 5. 12

Frau Pohl, Ihren „Nachruf“ auf Lafontaine finde ich ausgesprochen ungerecht und einseitig. Richtiger wäre gewesen, die Tatsache zu betrauern, dass die Linke eine große Chance auf Mitwirkung im Politzirkus damit ohne Not verspielt hat. Und das in einer Zeit, in der klar ist, dass eine Mehrheit (!) der Bürger erkannt hat, dass es die klassischen linken Forderungen sind, die Auswege aus der Misere aufzeigen. Paint.Black, taz.de

■ betr.: „Opfer seiner sagenhaften Eitelkeit“, taz vom 23. 5. 12

Als Finanzminister hat Oskar Lafontaine, was leider kaum noch jemand zu wissen oder wahrhaben zu wollen scheint, genau so etwas wie „Hartz IV“, das nach einem verurteilten Straftäter benannt ist, „angedacht“, wie das heutzutage in Dummdeutsch heißt.

Und seine „Verdienste“ um die brachiale „Veränderung“ des Asylrechtsartikels im Grundgesetz seien besser auch nicht vergessen. reblek, taz.de

■ betr.: „Eine geht noch“, taz vom 24. 5. 12

Sahra Wagenknecht würde vom Intellekt her das Duo Schwabedissen/Kipping in den Schatten stellen, denn sie verfügt über die nötige Ausstrahlungskraft und das Durchsetzungsvermögen in der linken Kita. Bodo Ramelow als Kovorsitzender wäre nicht schlecht, zumal dieser mitunter recht vorlaute Linkspolitiker damit in die Verantwortung eingebunden und an die Kette gelegt würde. Mit dem Gespann Wagenknecht/Ramelow hätte die Linkspartei wieder Aussicht, bei der Bundestagswahl 2013 die Fünfprozenthürde zu nehmen. Zwar wäre das nicht im Sinne von SPD und den Grünen – aber der Demokratie und dem linken Lager würde dies nicht schaden.

Allerdings dürfte es dann mehr als fraglich sein, ob Ost-Realo und SPD-Anhänger Bartsch als Bundesgeschäftsführer der Linkspartei fungieren kann/möchte. Ich denke, Bartsch sollte wie 2002 wieder Unternehmensberater werden. Weinberg, taz.de

■ betr.: „Der Magier Oskar“, taz vom 21. 5. 12

jau, überzeugende analyse. eine appeasement-politik gegenüber der spd, die zum beispiel in nordrhein-westfalen geschlagene vier jahrzehnte die politik verstopft hat, statt „soziale durchlässigkeit“ zu gestalten, und migranten (25 prozent der wählerklientel!) derart für dumm verkaufte, dass sie noch heute zehnfach unterrepräsentiert sind in den parlamenten und ratsvertretungen: das ist keine klare kante.

das braucht keiner. keiner braucht bartsch. jau, taz.de

Die Führungsschlacht in der Linken wurde von der taz ausführlich und mit gleich vier Titelseiten innerhalb einer Woche begleitet.

Der Rückzug Oskar Lafontaines fand ebenso Beifall wie der Vorschlag für eine Frauendoppelspitze – bevorzugt bestehend aus Katja Kipping und Katharina Schwabedissen.

Die Meinungen der Leserinnen und Leser der Druck- und Online-taz gehen deutlich weiter auseinander.

Die Zuspitzung der Diskussion auf Eitelkeiten alter Männer wird von etlichen abgelehnt. Der Abgang Lafontaines als Schwächung der Linken bedauert. Eine Frauendoppelspitze mit Verweis auf Angela Merke und Hannelore Kraft nicht als per se fortschrittlich gesehen. Dietmar Bartsch als Parteichef für nicht geeignet gehalten. Aber es gibt auch Kritik an Lafontaines Vorgehen und es wird daran erinnert, dass er nicht immer so links war wie er in der Linken sprach.