Europa lässt auf sich warten

Die Brüsseler Finanzquerelen führen zu Verunsicherung bei EU-geförderten Projekten. Schwierige Detailverhandlungen hätte es allerdings sowieso gegeben – und Unsicherheit gehört zum Geschäft

VON FRAUKE ADESIYAN
UND RICHARD ROTHER

Die Krise der EU ist auch eine Krise Berlins: Von der EU kofinanzierte Projekte leiden vor allem unter fehlender Planungssicherheit. Allerdings wird auch in Brüssel längst nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird – intern hat zumindest in der Senatswirtschaftsverwaltung kaum jemand schon jetzt mit einer grundsätzlichen Einigung über die mittelfristigen EU-Finanzen gerechnet. „Das ist nicht der erste EU-Gipfel, der scheitert“, sagte Verwaltungssprecher Christoph Lang. Und: „Die Mitarbeiter in unserem EU-Referat lassen sich so schnell nicht erschrecken.“

Bevor ab 2007 Mittel aus dem europäischen Sozial- und Regionalfonds nach Berlin fließen, muss ein ganzer Berg von Problemen beseitigt werden. Zunächst wird im EU-Haushalt festgelegt, wie viel Geld für Förderprogramme insgesamt zur Verfügung steht – diese Entscheidung verzögert sich nun voraussichtlich um ein Jahr. Damit rechneten Experten aber schon, lange bevor die Verfassungsreferenden die EU in die Krise stürzten.

Fast noch wichtiger als die Größe des Kuchens ist die Frage, welche Region ein wie großes Stück davon erhält. Denn mit der Erweiterung der Gemeinschaft ändert sich die durchschnittliche Wirtschaftskraft, die maßgeblich für die Förderwürdigkeit der einzelnen Regionen ist. Hier setzt Berlin darauf, dass nicht nur strukturschwache, sondern auch Metropolenregionen in der Förderperiode von 2007 bis 2013 besonders berücksichtigt werden. Die Verhandlungen darüber stehen noch aus. Daran hätte auch ein erfolgreicher EU-Gipfel nichts geändert.

Bei Berliner EU-geförderten Projekten führen die Brüsseler Querelen dennoch zu Unsicherheiten. „Wenn die sich da nicht einig werden, wird eine ohnehin schon unklare Situation noch verschärft“, sagt Peter Urban von der Zukunftsbau GmbH. Das gemeinnützige Unternehmen vermittelt jungen Menschen unter anderem Praktika im Ausland und erhält dafür rund ein Drittel des Etats aus EU-Mitteln. Urban: „Die Programmstrukturen wurden in Jahrzehnten aufgebaut.“

Ute Hiller von der Berliner Lesbenberatung befürchtet neue Konkurrenz um EU-Gelder: „Wir sind nicht so sehr auf Strukturmittel angewiesen. Wenn diese aber wegfallen, wenden sich mehr große Träger den europäischen Aktionsprogrammen zu. Die Frage ist, wer dann rausfällt.“ Ohne EU-Förderung wären viele Initiativen der Lesbenberatung nicht möglich. „Unsere Projekte können nicht allein von Stiftungen getragen werden. Die haben meist einen recht konservativen Förderungsbereich“, so Hiller. Ein Projekt für Kinder bekomme man bei Stiftungen eher gefördert als eines für Homosexuelle.

Für Projekte, die auf Geld aus Brüssel hoffen, sind Phasen der Unsicherheit aber nicht neu. Auch die laufende Förderperiode begann mit Verzögerung. Wirtschaftsverwaltungssprecher Lang ist optimistisch: „Im zweiten Halbjahr 2006 wissen wir, was wir kriegen.“ Die Detailarbeit müsse danach unter hohem Zeitdruck geleistet werden.