Geburt einer Brutstätte

Mit der „Spedition“ ins Off: Auf dem Gelände hinter dem Übersee-Museum wird ab Oktober ein neuer Veranstaltungsort für Off-Kultur entstehen

Bremen taz ■ „Anmerkung für BriefträgerIn: Die Post für das Tor 47 bitte in den Briefkasten vom Tor 47 (da wo die Ameisen auf dem Dach stehen) stecken.“ Dieser Satz steht noch, etwas vergilbt, am Eingang des Künstlerhauses Güterabfertigung. Dabei befinden sich die filigranen, überdimensionalen Eisen-Ameisen der Künstlerin Anja Fußbach nicht mehr auf besagtem Dach – „ich hatte Angst, dass sie mir verrotten“. Demnächst könne womöglich statt der Ameisen ein Hase auf der Bildhauer-Werkstatt des Künstlerhauses Güterabfertigung stehen, sagt Fußbach. Drei Meter hoch. Die neue Zeit.

Die neue Zeit: Nach zwei Jahren voller Planungen, Verhandlungen und Projektanträgen waren die KünstlerInnen des „Vereins 23“ am Wochenende so weit, einen neuen Veranstaltungsort „offenzulegen“. Der Ort heißt „Spedition“ und befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Güterabfertigung hinter dem Übersee-Museum. Ab Oktober sollen dort regelmäßig Ausstellungen, Konzerte und Lesungen stattfinden. Die „Spedition“ soll einerseits als Bühne dienen für das, was im selbst verwalteten Künstlerhaus Güterabfertigung produziert wird. Andererseits soll hier auch eine Plattform für die Off-KünstlerInnen anderer Stadtteile entstehen: Man kennt sich ohnehin und arbeitet seit Jahren zusammen.

„Diese Räume sehen aus wie ein Bühnenbild bei Christoph Marthaler“, sagt Uli Fuchs vom Projektbüro Kulturhauptstadt. „Büroräume der 60er Jahre. Das müsste eigentlich unter Denkmalschutz gestellt werden.“

Zusammen mit dem Intendanten der Kulturhauptstadtbewerbung, Martin Heller, hat Fuchs das Künstlerhaus Güterabfertigung im Frühjahr 2003 als eine der „Brutstätten“ erkannt, die im Bewerbungskonzept eine zentrale Rolle spielten – ein Ort, an dem jenseits ökonomischer Zwänge das entsteht, was Fuchs und Heller das „Salz in der gesellschaftlichen Suppe“ nennen. Prompt förderte das Kulturhauptstadtbüro den Plan, aus den alten Gebäuden der Spedition Rosebrock einen Veranstaltungsort zu machen. Wobei es den beteiligten KünstlerInnen ganz entschieden nicht darum geht, das Gebäude im großen Stil aufzumöbeln: „Der Charme soll erhalten bleiben“ sagt Christian Meier-Kahrweg vom „Verein 23“.

Was es aber braucht in den ehemaligen Lagerhallen und Bürostuben sind sanitäre Anlagen, Elektrizität, Heizung und die behördliche Genehmigung für die Nutzungsänderung. 63.000 Euro zahlt hierfür das Kulturhauptstadt-Büro, 15.000 Euro schießt die Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) als Eigentümerin des Areals zu. Geplant wird zunächst für zwei Jahre, für die bereits Projektmittel für die Programmkosten zur Verfügung stehen. Auf Miete will die BIG verzichten.

Für Uli Fuchs ist die „Spedition“ als Ort der Off-Kultur nicht nur „ein Gegenpart zum abgesicherten Übersee-Museum“, sondern auch ein Mittel gegen die „Verslummung eines der zentralsten Orte der Stadt“: Auf absehbare Zeit würde das Gelände von der Stadt nicht genutzt werden. Nach den zwei Jahren wird neu verhandelt, wobei für die KünstlerInnen vor Ort klar ist: „Wir wollen unsere Unabhängigkeit behalten.“ Institutionelle Förderung, so Meier-Kahrweg, werde man nicht anpeilen.

Klaus Irler