Donnerstag startet die Darts-WM: Vom Darts zur Dartitis und zurück

Alle Jahre wieder: Das Pfeilewerf-Spektakel im Londoner „Alley Palley“ ist wieder da. In diesem Jahr sind nicht nur zwei, sondern drei Frauen dabei.

Beau Greaves.

Genesen: Weltmeisterin Beau Greaves Foto: imago

WIEN taz | Jetzt sind sie schon zu dritt. Drei Frauen von 96 Teilnehmern, wobei 32 gesetzt sind, als Quote gewiss ausbaufähig, aber immerhin; im Vergleich zu anderen Sportarten, die das Körperliche mit dem Mentalen verbinden, ist das Darts da immer noch ganz weit vorne.

Nachdem sich also die amtierende Weltmeisterin Beau Greaves und die Weltranglistenerste der Frauen, Lisa Ashton, für die ansonsten arg männerlastige Darts-WM im „Alley Palley“ qualifiziert haben, bekam kurz vor Schluss auch die bekannteste Darterin Fallon Sherrock noch so etwas wie eine Wild Card für das wichtigste Turnier des Jahres. Sherrock, die 2020 als erste Frau einen Mann auf offener WM-Bühne geschlagen hat, also aus dem Turnier warf, hat im Frühjahr das „Women's World Matchplay“ gewonnen und wurde deswegen allerdings erst im Nachhinein für die WM zugelassen.

Drei also gegen 93. Im Gegensatz zu 32 gesetzten Herren müssen sich Greaves, Ashton und Sherrock durch die erste Runde werfen, die Favoriten greifen erst in der zweiten Runde ins Geschehen ein. Am Donnerstag, den 15., geht es los im wie immer ausverkauften Alexandra Palace in London, das Dartspiel kommt wieder um die Weihnachtszeit „nach Hause“, und kurz nach Jahresbeginn, diesmal erst am 3. Januar, wird der neue Weltmeister – es ist davon auszugehen, dass es doch wieder ein Mann wird – mit 500.000 Pfund Preisgeld ins neue Jahr geschickt. Er ist schon am dritten Tag der Weltmeister 2023.

Interessant ist wie stets der Modus – und das große Drumherum. Gespielt wird wie immer nach Sätzen und Legs; die Anzahl der Gewinnsätze steigert sich von Runde zu Runde. Reicht zu Beginn ein Drei-Satz-Sieg, werden im Finale sieben Gewinnsätze gespielt. Das Turnier macht über die Feiertage eine kleine Pause, was fast schon schade ist, am 27. Dezember geht es dann weiter. Silvester ist erneut spielfrei; aber gegen den Neujahrs-Kater wird gutes Pfeilwerfen geboten, meist in einer Session am Nachmittag und einer am Abend. Sport1 überträgt wie jedes Jahr in aller Ausführlichkeit.

Schlimm, schlimm

Es ist also ein Fernsehsport, dieses Darts, und es lebt doch von der grölenden Fan-Atmo im „Alley Palley“. Maskerade, Partygesänge, Einlaufmusik, schlimme Trikotdesigns, schrille Selbstdarstellungsmittel schwergewichtiger Männer, das Showdown inklusive Mini-Pyro und Cheerleaderinnen, das ganze Programm, das während der elenden Coronajahre wie alles sehr reduziert daher kommen musste: Es wird wieder da sein und einen ausgelassenen Gegenpol zur weihnachtlichen Besinnung bieten. Die Faszination am eigentlichen Sport, der schnöde als Kneipensport begann, ist geblieben: Sie liegt in der Verbindung aus Präzision, Minimalismus, Konzentration und großem Aufwand. Ein kleiner Sport, der irre spannend und sehr dramatisch werden kann und zum Jahresende über sich hinauswächst, sich medial sehr aufbläst.

Die Favoriten sind mehr oder minder dieselben wie in jedem Jahr: Titelverteidiger Peter Wright, der stilisierte alte Punk aus Schottland; der verbissene Pumper Gerwyn Price aus Wales (Weltmeister 2021) und die „Mighty Mouse“ Michael van Gerwen aus den Niederlanden stehen auf der Liste ganz oben. Wie immer werden auch andere Namen genannt, ewige Geheimfavoriten wie Michael Smith oder Dave Chisnall oder nicht tot zu kriegende Ex-Champs wie Raymond van Barneveld, nach seinem Rücktritt vom Rücktritt der Howard Carpendale der Szene, oder Gary Anderson, der sich klassischerweise immer zu WM-Turnieren steigern kann.

Die Frauenriege um die 18-jährige Beau Greaves kann für Überraschungen sorgen, wird sich am Ende aber der männlichen Übermacht geschlagen geben müssen. Deutsche sind auch am Start. Vielleicht kann Gabriel Clemens, der einzige gesetzte Deutsche, weit kommen; Florian Hempel und Martin Schindler eher nicht. Überhaupt ist das Feld wie immer britisch dominiert; die einzigen, die dieser Dominanz von jeher etwas entgegensetzen können, sind die Niederländer. Die Spitze dieses auch kommerziell sehr hochgepitchten Sports ist sehr konstant, weil seit Jahren auf professionell sehr hohem Niveau.

Mittlerweile geriert der Sport schon seine eigene Krankheit, da braucht es gar kein Corona mehr. Beau Greaves litt prominent an sogenannter Dartitis, einer psychischen Blockade, die das Werfen unmöglich macht. Immerhin: Die Dartitis kann durch Mentaltraining wieder geheilt werden. Wichtig ist es, den Ehrgeiz herunterzufahren. Man muss das Siegenwollen verlernen, um wieder siegen zu können. Das ist auch philosophisch interessant.

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