EU-Fördergelder an Ungarn: Deutlichere Warnsignale an Budapest

Bislang ist Orbán davongekommen, auch ohne den Bedingungen der EU nachzukommen. Diesmal könnte es jedoch ernst für ihn werden.

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán

Könnte ins Schwitzen kommen, wenn die EU die Gelder kürzt: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán Foto: Bernadett Szabo/reuters

Einsicht in eigene Verfehlungen gehört nicht zu den Tugenden, die Ungarns Premier Viktor Orbán und sein rechtsnationalistisches Umfeld auszeichnen. „Die Feinde Ungarns“ in Brüssel seien schuld, dass 13 Milliarden Euro aus diversen Fördertöpfen zurückgehalten würden. Dass die EU von Ungarn so grundlegende Pfeiler der Demokratie, wie die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen die Korruption einfordert, wird über die staatlich gelenkten Medien im Puszta-Staat nicht kommuniziert.

Also die „Feinde Ungarns“ und „Verräter aus den eigenen Reihen“ seien schuld, wenn das ungarische Volk jetzt darben müsse, sagte Kanzleiminister Gergely Gulyás am Mittwoch. Mit den „Verrätern“ sind ungarische EU-Abgeordnete der Oppositionsparteien gemeint, die mit den „linken und liberalen Kräften“ in Brüssel gemeinsame Sache machten.

Sie seien verantwortlich, dass Familienzuwendungen nicht verbessert, die Lehrergehälter nicht erhöht und die Ungarn nicht mit billiger Energie versorgt werden könnten. Ungarn hat zwar, was das heimische Publikum so auch nicht erfährt, versprochen, auf die Bedingungen der EU einzugehen. Umgesetzt ist aber sehr wenig. Es geht um 27 Bedingungen, EU-Kommissar Johannes Hahn spricht von „27 Super-Ecksteinen“, die voll umgesetzt sein müssen, ehe Geld nach Budapest fließt.

Und der österreichische Kommissar klingt entschlossener als früher. Seine ÖVP gehört derselben Parteienfamilie an, wie Ungarns Fidesz bis zum vergangenen Jahr. Seit sich Orbán von den Konservativen abgewandt und rechtsextremen Parteien wie der AfD und Giorgia Melonis Fratelli d'Italia zugewandt hat, schwindet auch im EVP-Lager das Verständnis für den autoritären Ungarn.

Qualifizierte Mehrheit nötig

Bisher ist Orbán meist mit kosmetischen Korrekturen davongekommen, die Brüssel beruhigt, an der Substanz seiner de-facto-Einparteienherrschaft aber wenig verändert haben. Auch auf Polen, das politisch einen ähnlichen Kurs steuert, konnte er sich meist verlassen. Zu groß ist aber jetzt die Befürchtung, dass von den Fördergeldern der Löwenanteil wieder an Günstlinge der Regierung fließt, die bei den Ausschreibungen von Staatsaufträgen mit ihren überhöhten Angeboten regelmäßig zum Zug kommen.

Wenn sich nächste Woche die Finanzminister der EU treffen, um über die eingefrorenen Ungarn-Gelder abzustimmen, wird sich zeigen, wie ernst es der Union mit den Demokratiekriterien ist. Für die erforderliche qualifizierte Mehrheit müssen mindestens 15 der 27 EU Staaten, die zusammen mindestens 65 % der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, dem Vorschlag der Kommission zustimmen.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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