berliner szenen
: Zwei Hände berührten sich

Es endete natürlich doch bei ihr. In der Tiefe der Nacht erreichten wir ihr Zuhause, ein dunkler sechsstöckiger Neubau irgendwo in Charlottenburg. Kaputter Aufzug. Im Treppenhaus bat sie mich, am umlaufenden Geländer zu gehen, während sie eng an der Wand entlang schritt, aber berührt hatten wir uns noch nicht.

Dann öffnete sie umständlich die Tür. Ihre Wohnung kannte ich schon. Im Flur fummelten wir Jacken und Schuhe von unseren Körpern und tauschten Blicke, ehe sie vorschlug, sich in die Küche zu setzen. Sie würde Tee kochen. Pfefferminz oder Hagebutte. Die Küche war klein und niedlich, ich erinnerte mich auch an sie. Der Putz an der Wand bröckelte an manchen Stellen, das Radio blieb stumm, überall stand Geschirr herum, keine Topfpflanzen.

Für eine Weile saß ich da und beobachtete ihre Handlungen, denen etwas doppelt Charmantes anhing; ihre Bewegungen hatten eine natürliche Anmut, die vom Alkohol noch einen zusätzlichen Schwung bekommen hatte. Der Tee dampfte winterlich aus zwei dunklen I-Love-New-York-Tassen, wir saßen uns am engen Küchentisch gegenüber. Immerhin ermöglichte es der geringe Platz, dass sich der Abstand zwischen uns verringerte, zwei Hände berührten sich vorsichtig an den Außenseiten der kleinen Finger, Knie wurden greifbar, und Emma bekam einen glasigen Blick. Und ich als ihr potenzieller Freund oder Liebhaber saß ihr stumpf und todmüde gegenüber und wusste nicht, was als nächstes anstand oder ich noch sagen sollte. Emma war sogar noch müder. Als es endlich Zeit wurde, ins Bett zu wechseln, war sie schon so im Eimer, dass sie sofort einschlief, während ich noch versuchte, ihr den voluminösen BH zu lösen. Keine zwei Minuten später schnarchte sie. Es klang lieblich und beruhigend.

René Hamann