Die Verwandlung

BELGRAD taz | Eines Morgens wachte Tomislav Nikolic auf und sah sich in einen Europäer verwandelt – so könnte eines Tages die Biografie von Serbiens neuem Präsidenten beginnen. Vor dreieinhalb Jahren spaltete der heute 60-jährige Politiker die ultranationalistische Serbische Radikalen (SRS) und gründete seine proeuropäische Serbische Fortschrittspartei (SNS).

Seit dem Sturz Slobodan Milosevic’ 2000 war Nikolic als SRS-Vizevorsitzender der Macht mehrmals ganz nahe gewesen. Doch auch wenn die Radikalen stärkste Partei wurden – an die Regierung kamen immer andere. Und auch wenn Nikolic bei den Präsidentschaftswahlen 2004 und 2008 nach der ersten Runde vor Tadic führte – die Stichwahl verlor er jedes Mal.

Erst als er mit SRS-Chef Vojislav Seselj brach, der mittlerweile wegen Kriegsverbrechen vor dem UN-Tribunal in Haag steht, änderte sich die Lage. Brüssel nahm die Zersplitterung der Ultranationalen mit Erleichterung auf, Nikolic’ bisherige Aussagen – etwa, dass man die Albaner aus dem Kosovo vertreiben und „serbisches Territorium“ in Kroatien zurückerobern müsse – waren genauso vergessen wie die Tatsache, dass Nikolic Anfang der 1990er als Freiwilliger in den Jugoslawienkrieg gezogen war, von Seselj dafür den Titel eines Freischärlerführers erhielt und stets die Ansicht vertrat, Serbien solle sich von der EU fernhalten, weil die dem Land das Kosovo „geraubt“ hätte.

„Ich schäme mich nicht“, erklärte Serbiens neuer Präsident heute. Das wäre auch wenig glaubwürdig angesichts der Tatsache, dass der verheiratete Vater zweier Kinder seit 1992 ununterbrochen Abgeordneter war und bereits 1998 – also unter Milosevic – erst Vizepremier Serbiens und 1999 Vizepräsident der jugoslawischen Bundesregierung war. AI