Die Wahl der Qual

Ursprünglich sollten Unis ab Herbst 60 Prozent ihrer Studierenden selbst aussuchen. Laut dem neuen Zulassungsgesetz können sie aber sogar ganz darauf verzichten. Das ist besser so, sagen die Grünen

VON TINA HÜTTL

Lange und groß war es angekündigt, das neue Berliner Hochschulzulassungsgesetz (BerlHZG). Nun ist es frisch gedruckt im Gesetz- und Verordnungsblatt nachzulesen – verändern wird sich aber so gut wie gar nichts: 60 Prozent der Studienplätze in zulassungsbeschränkten Fächern, so wünschte es die rot-rote Koalition und fürchteten die Universitäten, müssten ab dem kommenden Wintersemester von den Hochschulen selbst mittels Auswahlverfahren vergeben werden. Die Abiturnote, bisher neben den Wartesemestern wichtigstes Kriterium, hätte nur als eines von insgesamt drei verpflichtenden Auswahlkriterien gezählt.

Die große Änderung, die das alles wieder zurücknimmt, versteckt sich hinter dem kleinen Wort „bis“: Bis 60 Prozent, heißt es nun im überarbeiteten Paragrafen 8 des kürzlich verabschiedeten Zulassungsgesetzes, werde die Studienplatzvergabe nach dem Ergebnis eines von der Hochschule durchzuführenden Auswahlverfahrens vorgenommen. „Damit ist die Zahl Null ausdrücklich mit eingeschlossen“, sagt Lisa Paus. „Aus dem Zwang ist eine Kann-Regelung für die Hochschulen geworden.“ Die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen vermutet, dass die Unis von ihrem Recht kaum Gebrauch machen werden. Auch nach dem bisherigen Gesetz können sie schon 20 Prozent ihrer Studierenden in Numerus-clausus-Fächern nach Bewerbungsgesprächen selbst wählen. In der Praxis wird das jedoch kaum gemacht, denn ein solches Verfahren kostet Zeit, Personal und Geld.

Gerade diese drei Dinge sind an den Unis aber knapp, deshalb hatten sich die Hochschulen – mit sichtbarem Erfolg – gegen das Zulassungsgesetz in seiner ersten Fassung gewehrt. Neu ist neben der Freiwilligkeit der Auswahl auf Wunsch der Unis auch: Statt zwei weiteren Kriterien neben der Abiturnote wird bei einem Auswahlverfahren nur ein zusätzliches benötigt. Auch der Kriterienkatalog, dessen sich die Hochschulen bedienen sollten, ist erheblich zusammengeschrumpft. Gestrichen wurden Motivationsgespräche und -schreiben, in denen Bewerber die Unis von der Ernsthaftigkeit ihres Studienwunsches überzeugen sollten. Die Präsidenten der drei großen Berliner Unis hatten zu Recht befürchtet, dass entsprechende Schreiben in allen Variationen schon bald im Internet kursieren würden und Selbstdarsteller begünstigen. Rausgefallen sind ferner auch studiengangspezifische Fähigkeitstests. Zu viel Aufwand und zu unseriös, hatten die Universitäten befürchtet. Allein persönliche Bewerbergespräche und eine für das Studium relevante Berufsausbildung oder Berufstätigkeit des Bewerbers zählen nun noch als mögliches zusätzliches Kriterium. Nicht gestrichen, sondern neu aufgenommen wurde dagegen eine Gebühr von 25 Euro, die bezahlt werden muss, wenn man zum Auswahlverfahren eingeladen wird. Neu ist auch, dass die Einzelnoten, aus denen sich die Abiturnote errechnet, je nach Relevanz für das angestrebte Studienfach unterschiedlich gewichtet werden können.

Paus sieht das bis zur Auflösung verwässerte Hochschulzulassungsgesetz mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Die Chance, dass Studierende und Hochschulen künftig besser zusammenpassen, wurde vertan“, bedauert sie. Das Problem der hohen Abbrecherquoten hätte durch sinnvolle und seriöse Zulassungsverfahren und eine verbesserte Eingangsphase abgefedert werden können. Dazu bedürfe es jedoch wissenschaftlich fundierter Methoden. Mit diesen habe sich die Koalition aber im Detail nicht beschäftigt. „Verglichen mit den von rot-rot gewollten Kriterien ist die Abiturnote aber noch aussagekräftiger“, sagt sie. Ausnahmsweise heißt ein „weiter so“ in diesem Fall für sie auch „besser so“.