Hinfällig am Beckenrand: Ein Schwimmbad baut ab

Das „Festland“ in Hamburg-Altona ist ein Familienbad, in dem viel geschwommen wird. Doch das Alter setzt ihm zu – genau wie den Gästen.

Illustration eines SChwimmbads mit Sprungturm, das Wasser im Schwimmbecken ist vereist

Auch Schwimmbäder können gebrechlich werden Foto: Jeong Hwa Min

HAMBURG taz | An einer viel befahrenen Straße, über die schwere Lastwagen donnern und öfter die Sirenen der Polizeiautos heulen, liegt mein Schwimmbad. Im Dunkeln leuchtet es wie ein Raumschiff, das hier im Nirgendwo zwischen der Reeperbahn und Altona gelandet ist. Durch die großen geschwungenen Scheiben lässt sich von der Straße aus eine Wasserlandschaft erkennen, mit Pools, Rutschen und Dinosauriern.

Die Dinosaurier stehen am Rande der Becken und können Wasser speien, es gibt begehbare Vulkane, Grotten, Wasserfälle. Umgangssprachlich nur „Dinobad“ genannt, haben es die Verantwortlichen bei den Hamburger Bäderbetrieben „Festland“ getauft, wahrscheinlich, um den Blick auf die Attraktionen außerhalb des Wassers zu lenken.

Das erste Seepferdchen

Das Festland ist ein beliebtes Freizeitbad, an guten Tagen herrscht in der Dinosaurierlandschaft drangvolle Enge. Ich kenne die Becken von Grund auf, zwischen den Dinosauriern musste ich, als Reittier meiner Töchter unter Wasser, an den Beinen der anderen Erwachsenen vorbeitauchen, das Wasser war trübe. Die große Kurvenrutsche war lange eine Attraktion, bis sie abgelöst wurde durch eine Schwimminsel, die im Spielbecken in der Halle nebenan vertäut lag.

Noch eine Halle weiter, im Schwimmerbecken mit den Sprungtürmen, machte meine Tochter das Seepferdchen, vom Beckenrand aus sah ich zu. Später, bei unzähligen Schwimmkursen, schwamm ich auf der Nachbarbahn. Ich sah die Bade­meis­ter*in­nen, die offiziell „Schwimm­meister*in­nen“ heißen, kommen und gehen, besuchte das Schnellrestaurant hoch über der Dinolandschaft, in dem der nette junge Mann arbeitete, der bei jeder Bestellung „Ausgezeichnet, ausgezeichnet!“ sagte, bis er und die anderen weg waren, gekündigt. Die Arbeitsverträge waren nur befristet gewesen.

Die Besonderheit

Das 2009 eröffnete „Festland“ ist ein Spaßbad für Kinder, dessen Eintrittspreise nicht höher liegen als die anderer Hamburger Bäder. Es war als Ersatz für ein Jugendstilbad am Altonaer Bahnhof gedacht, das trotz heftiger Proteste abgerissen worden war.

Die Zielgruppe

Schwimmer und Planscher aller Altersgruppen, die keinen Wert auf eine 50-Meter-Bahn legen – die gibt es dort nämlich nicht.

Hindernisse auf dem Weg

In der Nähe ist die S-Bahn-Station Reeperbahn und damit auch St. Pauli.

Irgendwann wurden diese Besuche seltener, der Kinderbereich mit seinen Attraktionen war nicht mehr interessant und verschwand im Nebel der Zeit wie die Urzeitfiguren, die dort aufgestellt sind. An seine Stelle trat das Außenbecken mit seiner Tempobahn. Dort schwammen die Frühschwimmer, zu denen ich inzwischen gehörte.

Es waren immer dieselben Leute: der ehemalige Wettkampfschwimmer, der für die 25 Meter nur zwölf Armzüge brauchte, die Frau mit Flossen und Taucherbrille, die sich im Delphin versuchte, die durchtrainierte Hochfrequenzkraulerin mit ihrem durchtrainierten Begleiter.

So vergingen die Jahre, in den Duschen und in den Umkleidekabinen haben sich weißliche Kalkschleier ausgebreitet. Die batteriebetriebenen Schließmechanismen der Umkleideschränke sind störanfälliger geworden, Schwimmmeister mit Werkzeugkoffern rücken an, aber so ganz wird es nicht mehr.

Unter den Stammgästen gab es einen älteren Herrn, der sich gerne mit einem Plumps ins Wasser fallen ließ, einmal kollabierte er vor unseren Augen, wollte sich aber nicht aus dem Wasser ziehen lassen. Auch ich bin älter geworden, inzwischen passiert es öfter, dass jemand beim Schwimmen von hinten anstößt. Aber ich schwimme weiter.

Inzwischen ist das jedoch schwierig. Nach der Coronazeit klagen die Hamburger Bäder über zu wenig Personal. Im Sommer mussten die Freibäder tageweise schließen, im Herbst folgten die Hallenbäder. Zwei Tage die Woche ist das Festland seitdem für das große Publikum gesperrt, nur die Frühschwimmer, die Vereine und Schulen dürfen rein.

Wegen des Ukrainekriegs wurde nicht nur die Wassertemperatur gesenkt, auch das Außenbecken wurde geschlossen. Während der kalten Tage im Dezember konnte ich zusehen, wie sich draußen auf dem Wasser, wo ich sonst schwamm, eine Eisschicht bildete.

Die Invasion der Baustellenbänder

Vor wenigen Wochen dann, drinnen wurde es zwischen Senioren, spielenden Kindern und Schwimmkursen eng, war plötzlich die rechte Bahn des Schwimmerbeckens gesperrt. Rot-weiße Baustellenbänder waren kreuz und quer darübergespannt. Die Beckenaufsicht erklärte, dass die Fliesen sich ablösten, es bestehe Verletzungsgefahr. Mittlerweile hat es auch die halbe linke Außenbahn erwischt. „Wenn einmal Wasser hinter den Kacheln ist, geht das immer weiter“, sagt einer der Rettungsschwimmer.

Vor Kurzem war ich wieder zu langsam, jemand berührte von hinten meine Füße. Es war ein kleines Mädchen, das mit seiner Mutter Brustschwimmen übte.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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