NACHRUF VON MATHIAS BRÖCKERS
: Guten Flug, Scotty!

Leute wie ihn gibt’s eindeutig zu wenig auf dem Raumschiff Erde

Wirklich hoch beamen konnten wir ihn nicht, aber vom Grasdach des UFA-Geländes wurden zumindest zwei Feuerwerksraketen mit seiner Asche in den Berliner Abendhimmel geschickt – bei der Abschiedsfeier für Scotty, einen der Chefingenieure und Motoren des Raumschiffs UFA-Fabrik, die seit über 30 Jahren als Kommune und Kulturprojekt einen Eckpfeiler der Berliner Alternativszene bildet. Eine undefinierbare Immunschwäche und drei Schlaganfälle hatten ihm in den letzten Jahren das Leben schon sehr schwer gemacht.

Doch auch wenn man – außer vor Fleisch – vor keinem Genussmittel der Erde haltmacht und sinnenfreudig lebt, ist 59 doch eigentlich kein Alter! Und Leute wie Scotty gibt’s eindeutig zu wenig auf dem Raumschiff Erde. Er brachte uns in den Anfangstagen der taz die ersten genießbaren Vollkornbrote im Austausch mit Anzeigen für sein Kulturprogramm auf dem besetzten ehemaligen UFA-Schneidewerk in Tempelhof – das er fast 20 Jahre lang organisierte.

Das erste Öko-Grasdach in Berlin enstand 1978 auf dem von Scotty & Co. organisierten „Umweltfestival“ – dort wurde ebenfalls ein Teil seiner Asche verstreut. Wenn Experten der absurden deutschen Bestattungsgesetze, die eine Aushändigung der Asche eines Verstorbenen verbieten, hier die Stirn runzeln: Wenn man sich in einem Nachbarland einäschern lässt, kann man sich die Urne zuschicken lassen oder mitnehmen. So konnte Scotty, der über Jahre mit seinem Kino-, Musik-, Zirkus- und Multikultur-Programm zigtausende von Menschen hochgebeamt hat, zumindest auf seinem Heimatplaneten, dem UFA-Gelände, bestattet werden.

Auch wenn auf dem Gelände 150 Menschen Arbeit und (immer noch gutes) Brot finden – Scottys Traumbestattung à la Tim Leary in der Umlaufbahn war dann doch etwas teuer. Aber zwei kleine Raketen sollten’s schon sein.

Als Show-Profi wusste Scotty: Der Einstieg muss gut sein, zwischendurch kann’s ein paar Hänger geben, aber der Abgang muss stimmen. Das hat er geschafft, in diesem Leben, als (Sub-)Kulturingenieur, Mensch und Macher. Mit Herz, Hand und Hirn. Guten Flug, Scotty!