Susanne Schwarz über erneuerbaren Wasserstoff
: Aus Rot mach Grün

Die EU ist bei dem Wort „grün“ bekanntermaßen flexibel. Viele Investitionen in Erdgas und Atomkraft darf man als grün verkaufen, so hat die EU es im vergangenen Jahr in ihrer sogenannten Taxonomie für nachhaltige Finanzen festgeschrieben, den vielen Treibhausgasemissionen und dem vielen Atommüll zum Trotz. Jetzt will die EU-Kommission die logische Konsequenz beim Wasserstoff ziehen: Grün soll man den unter Umständen auch nennen dürfen, wenn er gar nicht mithilfe von erneuerbaren Energien hergestellt wurde, sondern auf Basis von Atomstrom. Einfach entscheiden kann die Kommission das zwar nicht, es bräuchte aber breite Mehrheiten im EU-Parlament und im Ministerrat der EU-Mitgliedsstaaten, um das Vorhaben aufzuhalten. Die sind nicht zu erwarten.

Eigentlich ist für solchen Wasserstoff aus Atomstrom bisher eine ganz gegenläufige Bezeichnung üblich, nämlich „rot“. Dass sich das trotz Strahlengefahr und Atommüll jetzt ändern soll, ist ein Zugeständnis an Frankreich mit seinen vielen Atomkraftwerken und der verschlafenen Energiewende. Immerhin sind Auflagen vorgesehen: Netzbetreiber müssen einen langfristigen Kaufvertrag für erneuerbaren Strom in der Region abgeschlossen haben, damit es doch noch vorangeht mit der Energiewende. Das ist dringend nötig – für den Wasserstoff, aber auch für den sonstigen Strombedarf.

Wasserstoff hat einen Spitznamen, vom „Champagner der Energiewende“ ist in der Ökoszene oft die Rede. Die Botschaft: Es geht um ein knappes und wertvolles Gut, das nicht zu jedem Anlass in die Gläser fließen kann. Es ist nachvollziehbar und auch mehr als sinnvoll, die Kapazität ausbauen zu wollen. Grüner Wasserstoff wird zentral, um beispielsweise die Industrie klimafreundlich zu machen. Dafür brauchen wir aber in erster Linie einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, kein Greenwashing der Atomkraft. Außerdem ist es wichtig, im Blick zu behalten: Nicht für jeden Zweck, zu dem man Wasserstoff theoretisch einsetzen könnte, wird es praktisch sinnvoll sein – etwa im Autoverkehr.

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