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Wenn Berlin einfach Berlin ist

Eine Frau dröhnt in ihr Handy: „Warum tritt sie nicht endlich zurück, diese Betrügerin? Die hat doch schon bei ihrer Doktorarbeit betrogen!“ Gerade ist durchgesickert, dass 450 Briefwahlstimmen liegen geblieben sind. Sie sollen nun öffentlich ausgezählt werden. Kenne ich aus Uganda. Dann kann niemand „Betrug“ schreien. Und das wäre in diesen Tagen schon was wert.

Die Berline­r:in­nen versuchen ja auch, alles richtig zu machen. Meine Mutter etwa braucht einen neuen Perso. Aber online gibt es keine Termine. Das Bezirksamt ist wegen der Wiederholungswahl ganz geschlossen. Für „ungefähr“ drei Monate. „Probier es mal telefonisch, unter 115“, sage ich. Meine Mutter schaut ungläubig.

Berlin-Wilmersdorf

99.700 Ein-wohner*innen. Hier ist es schick und lohnt durchaus den Besuch. Zum Bürgeramts-Tourismus aber taugt auch dieser Ortsteil nicht. Wie anderswo gibt es keinen Termin.

Ich muss los, mit dem Rad. Die klackernden Asphaltbrocken triggern einen zarten Kopfschmerz. Ein Müllwagen nimmt mir die Vorfahrt. Ich schnauze den Fahrer an. Er bleibt quer über beide Spuren stehen und motzt drohend: „Hast du’n Problem?“ Ja, hab ich, zehn Meter lang. Ich schlängle mich ums Heck, da springt der Kollege vom Trittbrett. Jetzt gibt’s an die Backen, denke ich. Aber er guckt nur. Noch eine Ampel später pöbelt mir der Fahrer hinterher. Berlin, wa? Jan Kahlcke