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: Idealisten oder Terroristen?

Die Letzte Generation kämpft mit Zivilem Ungehorsam gegen die Klimakrise. Manche halten das für grenzwertig

Von Gernot Knödler

Die „Letzte Generation“ nervt. Der radikale Teil der Klimaschutzbewegung macht seit einem Jahr mit spektakulären Blockaden und Anschlägen auf Kunstwerke auf sich aufmerksam. Die Teil­neh­me­r:in­nen haben den Berliner Flughafen lahmgelegt, sich auf Autobahnen festgeklebt und durch Plexiglas geschützte Kunstwerke mit Kartoffelbrei beworfen.

Doch die Diskussion, die sie damit ausgelöst haben, dreht sich nicht in erster Linie um den Klimaschutz, sondern darum, ob solche Aktionen zu rechtfertigen sind. Eskaliert ist die Debatte, nachdem ein Rettungswagen wegen einer Blockade auf der Berliner Stadtautobahn einen Umweg fahren musste. Den Ak­ti­vis­t:in­nen wird unterstellt, sie übten Gewalt aus. Politiker bezeichneten sie als „Klimaterroristen“ und warnten vor einer „Klima-RAF“. Der baden-württembergische Ministerpräsident nannte die Proteste „anmaßend“; FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sara erklärte sie für „vollkommen illegitim“.

Symbolisch und gewaltfrei

In Hamburg forderte der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, Dennis Thering, angesichts von Straßenblockaden im Hafen null Toleranz. Diese wiederholten, gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr müssten „mit aller Härte des Rechtsstaats unterbunden werden“. Die Aufregung erinnert an die 1980er-Jahre, als Mitglieder der Friedensbewegung Kasernenzufahrten blockierten, um die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen zu verhindern.

taz Salon „Umwelt­schützer oder Klima­terroristen?“: 19.30 Uhr, Haus 73, Schulterblatt 73, Hamburg

Tatsächlich hat der bewusste, in der Regel öffentliche Rechtsbruch als extremes Mittel der politischen Auseinandersetzung in demokratisch verfassten Gesellschaften eine lange Tradition. Sie beginnt mit einem Essay Henry David Thoreaus, der den Begriff 1849 prägte. Gandhi wendete das Konzept an, um Indien der britischen Kolonialmacht zu entwinden, Martin Luther King, um die Bürgerrechte von Menschen mit schwarzer Hautfarbe in den USA durchzusetzen.

Ziviler Ungehorsam versteht sich als symbolischer, mithin gewaltfreier Akt, der auf öffentliche Aufmerksamkeit zielt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht die Grenzen zur Gewalt sehr eng gezogen: Nach Ansicht der Richter beginnt sie beim Anketten. Für den Politikwissenschaftler Christian Volk ist radikaler Protest notwendig, weil er eine Demokratie repolitisiert. Eine demokratische Gesellschaft zeichne sich dadurch aus, dass sie diese Form des Protests richtig deuten und zulassen könne.