Bundespräsident in solidarischer Mission

Als letztes Land im Baltikum besucht Bundespräsident Steinmeier Estland. Dort trifft er auf wohlwollende Po­li­ti­ke­r*inn­en und deutsche Sol­da­t*in­nen

Aus Tallinn und Ämari Sabine am Orde

Eine Reise nach Estland kann für einen deutschen Politiker durchaus motivierend sein. Zwei Tage lang war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in dem nördlichsten der drei baltischen Staaten zu Besuch – und am Ende wirkt er fast zufrieden. Zumindest so zufrieden, wie man angesichts des russischen Angriffskriegs hier sein kann.

„Ich habe selten so viel Lob über Deutschland gehört wie bei diesem Besuch“, sagt Steinmeier. Gerade hat er die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas zum Gespräch getroffen. Kallas hat lange vor dem Krieg vor Russland gewarnt, Estland hat deutlich früher als andere Waffen an die Ukraine geliefert. Und im Verhältnis zur Bevölkerung mehr Geflüchtete aufgenommen als jedes andere europäische Land. Dieser klare Kurs hat Kallas nicht nur in der EU zu einer Größe gemacht, sie hat damit gerade auch die Wahl gewonnen.

Weil ihr Terminkalender voll ist, beginnt das gemeinsame Frühstück schon um acht Uhr, danach hat die Ministerpräsidentin leider für ein gemeinsames Statement keine Zeit, weshalb Steinmeier alleine vor die Presse tritt. In Deutschland, sagt er, gebe es mitunter den Eindruck, dass die Distanz zwischen Deutschland und den baltischen Staaten gewachsen sei. „Mein Eindruck ist hier, das Gegenteil ist der Fall.“ Nun mag sich das in Litauen schon ganz anders anhören, wo die angebliche Zögerlichkeit der Deutschen durchaus ein Thema ist. Aber auf dieser Reise trifft Steinmeier, nach allem, was man mitbekommt, tatsächlich vor allem Gesprächspartner*innen, die positiv auf die Deutschen blicken.

Der estnische Präsidenten Alar Karis etwa dankt sehr für die Unterstützung der Ukraine. „Die Bedeutung Deutschlands für die europäische Sicherheit kann nicht überschätzt werden“, sagt er nach einem Gespräch mit seinem deutschen Kollegen. Deutschland und Estland seien enge Verbündete in EU und Nato, man sehe Deutschlands klares Bekenntnis zu der gemeinsamen Sicherheit. Ähnlich hat sich auch Karis’ Vorgängerin Kersti Kaljulaid geäußert, der Steinmeier einen Verdienstorden verliehen hat.

Steinmeier selbst lässt keine Gelegenheit aus, den Esten die deutsche Solidarität zu versichern. „Deutschland steht zu seiner Verantwortung in der EU und in der Nato“, sagt er. „Darauf kann sich Estland verlassen.“ Fast alle Länder an der östlichen Nato-Grenze hat Steinmeier seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine besucht, auch in Lettland und Litauen war er bereits. Bislang hat Estland gefehlt, das eine fast 300 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt. „Hier in Estland leben die Menschen nur wenige Kilometer entfernt von der russischen Grenze“, sagt Steinmeier in einem Hangar auf der Militärbasis in Ämari, er steht vor einem deutschen Eurofighter. „Wir müssen verstehen, dass hier die Angst groß ist, dass auch die baltischen Staaten Opfer eines russischen Angriffs werden.“ Seine Botschaft sei ganz klar: „Die Nato ist bereit, jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.“ Deutschland sei, gemeinsam mit den USA und Großbritannien, inzwischen der größte Truppensteller an der Ostflanke der Nato. Im estnischen Ämari sind 150 deutsche Sol­da­t*in­nen statio­niert. Seit vergangener Woche sind sie hier gemeinsam mit ihren britischen Kol­le­g*in­nen für den Schutz des Luftraums zuständig. Jeweils ein Eurofighter der Luftwaffe und einer der Royal Air Force stehen rund um die Uhr zum Einsatz bereit. Sie sollen unbekannte Flugzeuge, die sich ohne Funkkontakt oder Transpondersignal nahe dem baltischen Luftraum befinden, „abfangen“, wie Presseoffizier Alexander Feja erklärt. Abfangen heiße nicht abdrängen, sondern „visuelles Identifizieren“. Danach würden die Flugzeuge begleitet.

Steinmeier spricht vor allem mit Politike­r*innen, die positiv auf Deutschland blicken

Vier Stunden bleibt Steinmeier auf der Militärbasis, sieht einen Probeeinsatz der Eurofighter, ein deutsch-britisches Technikerteam erklärt ihm die Kampfjets, beim Mittagessen sucht er das Gespräch mit deutschen und britischen Soldat*innen: „Ich bin auch hier, um den Soldatinnen und Soldaten meinen herzlichen Dank zu sagen für den Einsatz, den sie leisten.“

Am Dienstag, einen Tag vor Steinmeiers Besuch, war die deutsch-britische „Alarmrotte“ zum ersten Mal gemeinsam im Einsatz. Seit die Luftwaffe im August nach Ämari gekommen ist, ist sie insgesamt 28-mal wegen eines Alarms gestartet. „Wir haben hier keine Zunahme bei den Luftraumgrenzverletzungen in den letzten Jahren“, sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, der mit dem Bundespräsidenten gekommen ist. Für Zorn ist es eine Abschlussreise. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat ihn am Montag mit Wirkung zum Freitag von seinem Amt enthoben.

Christoph Hachmeister, der Kontingentführer der Deutschen in Ämari, betont, dass die Bundeswehr in Estland gut ausgestattet sei: „Wir kommen unserem Auftrag nach.“ Deutsche und Briten werden in Estland einen Monat lang gemeinsam Einsätze fliegen. Ende April übernimmt die Airforce vollständig, dann ziehen die Deutschen erst einmal ab. Bis zum nächsten Einsatz in einigen Monaten.