Stimmungsmache gegen die Kandidaten

Beitrittsländer tauchen nicht mehr in der Gipfelerklärung auf. Änderung gibt den Erweiterungsgegnern Auftrieb

„Die Ängste der Westeuropäer sind irrational“

BRÜSSEL taz ■ Zunächst die Fakten: In der Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs werden die Türkei, Rumänien und Bulgarien entgegen dem ursprünglichen Entwurf nicht erwähnt. Ob die Erweiterungsverhandlungen mit Kroatien wieder aufgenommen werden, wird erst im Herbst entschieden. Der Gipfelbeschluss vom Dezember werde aber „uneingeschränkt umgesetzt“, heißt es in dem schon vorformulierten Text. Die Regierungen hatten sich darauf geeinigt, am 3. Oktober die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beginnen.

Der Versuch, die erweiterungsfeindliche Stimmung durch diese kosmetische Textänderung zu besänftigen, hat für Spekulationen gesorgt und genau den Effekt erzielt, den die Diplomaten vermeiden wollten: Er gibt den Erweiterungsgegnern Auftrieb. „Der Rat zieht endlich die richtigen Konsequenzen: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Oktober nahezu ausgeschlossen“, teilte der deutsche CDU-Europaabgeordnete Hartmut Nassauer mit. Damit werde eingeräumt, „dass der türkische EU-Beitritt ein gewichtiger Grund für die Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden war“.

Bahadir Kaleagasi, Vertreter der türkischen Arbeitgeberorganisation in Brüssel, versucht dennoch Zuversicht zu verbreiten. „Die Textänderung hat nichts zu bedeuten. Aber die Politiker sollten nicht dem Populismus nachgeben, sondern endlich ehrlich zu den Wählern sein.“ Die bulgarische Europaministerin Miglena Kuneva glaubt, dass trotz aller Turbulenzen der Erweiterungsfahrplan eingehalten wird. „Die Ängste der Westeuropäer sind irrational. Sie kennen unsere Kultur viel weniger, als das umgekehrt der Fall ist.“ Andrie Tanea vom rumänischen Informationszentrum in Brüssel hingegen sagt: „Wir befinden uns in einer wirklichen Krise. Für Rumänien heißt das, dass wir uns noch mehr anstrengen müssen, um die Aufnahmekriterien zu erfüllen, denn zum ersten Mal wird die Erweiterung in einer Gipfelerklärung nicht erwähnt.“

Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte am Dienstag gedroht, die Schutzklausel könnte greifen, wenn Rumänien sich nicht mehr anstrengt. Der Rat hatte beschlossen, den Beitritt um ein Jahr auf den ersten Januar 2008 zu verschieben, wenn der Fortschrittsbericht zu Rumänien im Herbst in den Bereichen Korruptionsbekämpfung und Justizreform keine Fortschritte erkennen lässt.

DANIELA WEINGÄRTNER