Verfehlte Ziele Europas in Peking: Naiv und überheblich

Macron hätte, zusammen mit Ursula von der Leyen, Druck auf Xi Jinping ausüben müssen, damit der auf Putin einwirkt. Doch sein Ego stand ihm im Weg.

Xi Jinping und Emmanuel Macron spazieren in einem Garten

Xi Jinping und Emmanuel Macron auf der Residenz des Gouverneurs der Provinz Guandong

Es hat nicht viel gebraucht, um Emmanuel Macrons Ego zu überlisten: Sichtbar stolz marschierte Frankreichs Präsident am Donnerstag auf dem roten Teppich in die Große Halle des Volkes, am Freitag badete er wie ein Rockstar im Jubel der Studenten bei einem Universitätstermin. Und sichtlich geschmeichelt sagte er schließlich einem Reporter: Dass Xi Jinping höchstpersönlich so viel Zeit für den Besuch aufbringe, zeige, dass „Frankreich kein Land wie jedes andere“ sei.

Vieles an seinem Besuch ging nach hinten los. Macron war schließlich nach Peking gereist, um gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Einigkeit zu demonstrieren: Europa werde sich nicht auseinanderdividieren lassen, sondern mit geeinter Stimme seine Interessen in China vertreten.

Wie diese lauten, hat von der Leyen kürzlich bei ihrer Grundsatzrede dargelegt: Die CDU-Politikerin schilderte in unmissverständlichen Worten, wie sich die Volksrepublik unter Xi Jinping verändert hat und dass es daher einer Neuausrichtung der Beziehungen bedarf. Dafür erhielt sie auch unter Wirtschaftsvertretern in Peking Beifall.

Doch was in der chinesischen Hauptstadt schließlich passierte, schien die eigene Zielsetzung zu unterlaufen: Beide Spitzenpolitiker sandten höchst unterschiedliche Signale aus. Von der Leyen forderte Risiko­minderung vom chinesischen Markt, Macron kam mit rund 60 Unternehmensvorständen im Schlepptau. Sie sprach von der sich verschlechternden Menschenrechtssituation in China, er klammerte das Thema aus. Auch bei der Einschätzung der chinesischen „Friedensinitiative“ zum Ukraine-Krieg nahmen beide unterschiedliche Haltungen ein.

Nutznießer der scheinbaren Uneinigkeit ist vor allem die chinesische Regierung, die eine gemeinsame Linie der EU verhindern will. Sie trieb den Dissens der Besucher sogar noch proaktiv voran.

Angesichts der freundlichen Worte von Macron waren die letzten Tage tatsächlich ein Erfolg für Peking. Aus europäischer Sicht hingegen fällt die Bilanz enttäuschend aus – vor allem weil von der Leyen und Macron ohne Resultate beim Thema Ukraine-Krieg heimkehren werden. Chinas Staatschef ließ keinerlei Änderung an der eigenen Haltung erkennen: Putin kritisierte er erneut mit keiner einzigen Silbe, und Russland wurde in der offiziellen Stellungnahme nicht einmal erwähnt. Und mit Selenski will Xi erst telefonieren, „wenn die Zeit reif ist“.

Dabei sagte Macron zuvor in jovialem Ton zu seinem Gastgeber: „Ich kann auf Sie zählen, dass Sie Russland zur Vernunft bringen“. Wie naiv und überheblich das war, hätte der Franzose bereits im Vorhinein wissen müssen. Doch ganz offensichtlich stand sein Ego ihm im Weg.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.