Brasiliens Präsident auf China-Reise: Lulas Drahtseilakt in Peking

Beim Staatsbesuch von Brasiliens Präsidenten in China geht es um Geschäfte – aber auch um die Verschiebung der globalen Machtverhältnisse.

Lula und first Lady Rosangela vor einem Flugzeug

Er kann hoffen, in China als „alter Freund“ willkommen zu sein: Brasiliens Präsident Lula (l.) Foto: Eraldo Peres/ap

PEKING taz | Die Delegation, die der brasilianische Präsident im Schlepptau mit nach China bringt, ist überaus beeindruckend: Neben sieben Ministern, fünf Gouverneuren und dem mächtigen Senatsvorsitzenden werden auch über 200 Firmenvorstände Luiz Inácio Lula da Silva auf seiner viertägigen Reise nach Shanghai und Peking begleiten. Sein Anhang macht deutlich: Im Vordergrund steht vor allem die Wirtschaft.

Angesichts der fulminant gestiegenen Handelsbeziehungen zwischen den zwei aufstrebenden Volkswirtschaften dürfte dies auch nicht weiter verwundern. Das bilaterale Warenvolumen beläuft sich laut chinesischen Angaben auf rund 170 Milliarden US-Dollar. Seit 14 Jahren in Folge ist die Volksrepublik zudem der wichtigste Wirtschaftspartner für Brasilien. Und nach dem Wirtschafts­einbruch während der Coronapandemie soll es hier nun neuen Aufwind geben.

Brasilien ist nach wie vor einer der wenigen Staaten, der gegenüber der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt einen positiven Handelsüberschuss verzeichnet. Das liegt vor allem an den massiven landwirtschaftlichen Exporten nach Ostasien. Doch umgekehrt tritt Peking in Lateinamerika zunehmend als wichtiger Investor auf: In Brasilien bauen chinesische Unternehmen Verkehrsinfrastruktur, liefern Technologie für den digitalen Wandel und errichten Werke für Elektroautos. Dass sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit künftig weiter intensiviert, soll in den nächsten Tagen schriftlich festgehalten werden: Mindestens 20 bilaterale Abkommen hofft Lula in der Volksrepublik abschließen zu können.

In den USA hingegen wird Chinas wachsender Einfluss in Brasilien mit Argusaugen beobachtet. Vor allem befürchtet man, dass die beiden Staaten, die ihren bilateralen Handel zunehmend in Lokalwährungen durchführen, an der Dominanz des US-Dollars rütteln könnten. Für Xi Jinping ist es ein selbst erklärtes Ziel, den chinesischen Renminbi als globale Währungsalternative zu positionieren.

Argwohn in den USA

Vor allem ein Programmpunkt auf Lulas Chinaagenda dürfte in Washington besonders bitter aufstoßen: An diesem Donnerstag soll das Staatsoberhaupt ein Innovationszentrum des Netzwerkausrüsters Huawei besuchen – jene Firma also, die von den Vereinigten Staaten als Bedrohung für die nationale Sicherheit gewertet wird.

Damit setzt der 77-Jährige ein klares Zeichen, dass sein Land bei den Tech-Sanktionen der Amerikaner nicht mitziehen, sondern weiterhin mit beiden Seiten Geschäfte machen wird. All dies passiert allerdings koordiniert mit den USA: Vor seinem Chinabesuch hat Lula schließlich ein demonstratives Telefonat mit Joe Biden geführt. Es ist ein ambivalenter Drahtseilakt: Man orientiert sich zwar zunehmend an China, doch erkennt nach wie vor die Bedeutung der USA an. Dass Brasilien jedoch zwischen zwei Alternativen wechseln kann, stärkt deutlich die Verhandlungsposition des Schwellenlandes.

In Peking setzte die Staatsführung zweifelsohne darauf, Brasilien näher an sich binden zu können. „Angesichts einer turbulenten internationalen Lage haben China und Brasilien weitreichende gemeinsame Interessen“, schreibt Zhu Qingqiao, Chinas Botschafter in Brasilia, in der parteieigenen Renmin Ribao (Volkszeitung). Gemeinsam werde man für eine „multilaterale Weltordnung eintreten“.

„Alter Freund“

Während Lulas Vorgänger Jair Bolsonaro wegen seiner chinafeindlichen und globalisierungskritischen Rhetorik verachtet wurde, sieht man nun endlich wieder einen „alten Freund“ im Präsidentenamt. Auch außenpolitisch teilen beide Staaten viele Überzeugungen. Lula wie auch Xi Jinping fokussieren sich in ihren diplomatischen Bemühungen vorwiegend auf den globalen Süden, beide propagieren einen Multilateralismus und lehnen eine Hegemonie der USA ab.

Auch beim Ukrainekrieg haben sie eine ähnliche Position gewählt, wobei Chinas strategische Nähe zu Russland deutlich prominenter ist. Doch sowohl Peking als auch Brasilia wollen international als verantwortungsvolle Friedensmacht wahrgenommen werden. Xi Jinping schlug zuletzt einen 12-Punkte-Plan vor, der allerdings nicht über vage Formulierungen hinausging und in Europa als enttäuschend wahrgenommen wurde.

Lula empfiehlt als konkrete Verhandlungsgrundlage, dass Russland sämtliche neu eroberten Gebiete abtreten, jedoch die Kontrolle über die Krim behalten könnte. Bislang lehnt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski das mit Verweis auf die territoriale Integrität seines Landes kategorisch ab. Experten rechnen zudem nicht damit, dass Lula während seiner Chinareise Xi dazu überreden kann, den Druck auf Wladimir Putin zu erhöhen.

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