Menschen stehen in einem Hof Schlange

Reformstau: Im Innenhof der Arche Berlin-Hellersdorf stehen Bedürftige für Lebensmittelspenden an Foto: Arche Hellersdorf

Kinderarmut in Deutschland:Das Armutszeugnis

Mit der Kindergrundsicherung will die Ampelkoalition Kinderarmut bekämpfen. Ein Treffen mit einer Mutter, die von den Plänen profitieren würde.

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3.4.2023, 18:44  Uhr

Tabea Ulbrich* muss draußen vor dem Tor warten – und das, obwohl sie 45 Minuten zu früh gekommen ist zur Lebensmittelspende der Arche Berlin-Hellersdorf. Eigentlich ist die Arche ein Kinder- und Jugendhilfswerk, das kostenloses Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Ferienfreizeiten für Kinder aus armen Familien organisiert. Eigentlich, denn seit Monaten organisiert die Arche auch Lebensmittelspenden in Marzahn-Hellersdorf, einem Bezirk im Osten Berlins. Heute schließen die Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Arche um 10.13 Uhr das Tor, der Innenhof ist schon zu voll.

Vom Tor windet sich die Schlange durch den Hof, an einer alten, grauen Schule und einem Spielplatz vorbei, bis zu einer Turnhalle. Darin stehen, von Fußballtor zu Fußballtor säuberlich aufgereiht, 1.000 Tragetaschen bepackt mit Lebensmitteln für je knapp 50 Euro: Kaffee, Basmati-Reis, Kakaopulver, Aufbackbrötchen, Mehl, Öl, Apfelmus und Hafersahne. Die Walkie-Talkies der Arche-Mitarbeiter*innen knattern. Eine halbe Stunde noch, dann geht die Verteilung los, aber schon jetzt warten zwischen 600 und 700 Menschen im Innenhof. Mit Trolleys, Rucksäcken und Koffern, viele sind mit ihren Kindern da.

Am Tor geben Arche-Mitarbeiter*innen die Türsteher*innen, eine spricht auf Ukrainisch mit Menschen in der Schlange. Ulbrich muss auf der Straße warten, immerhin scheint die Sonne, sie trägt Winterjacke und Sonnenbrille. Hinter ihr in einem Kinderwagen heult und kreischt ein Mädchen mit rosa Stiefelchen. Die Mutter nestelt an einem Schnuller herum und redet auf die Tochter ein. „Schwierig, wenn man hier mit Kindern zwei Stunden anstehen muss“, sagt Ulbrich. Einmal habe sie ihren Sohn zu so einer Essenausgabe mitgenommen, er habe davor gewartet. Vor Scham.

„Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen“ – so steht es im Koalitionsvertrag der Ampel. Dazu wollen SPD, Grüne und FDP eine Kindergrundsicherung auf den Weg bringen. Für Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ist das „das zentrale sozialpolitische Projekt dieser Bundesregierung“. Sie soll – so zumindest der Plan – die bisherigen Sozialleistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Co. bündeln und aus einem Garantiebetrag, in Höhe von 250 Euro, und einem Zusatzbetrag bestehen. Den Zusatzbetrag sollen arme Familien erhalten. Wie hoch dieser Betrag sein wird, ist noch unklar. Beziehungsweise Streitpunkt. Denn die Ampel ringt um Geld. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte der Bild am Sonntag am Wochenende, das Wesentliche für die Kindergrundsicherung sei bereits getan, und verwies auf die Erhöhung des Kindergelds. Das Familienministerium rechnet hingegen mit rund zwölf Milliarden Euro Mehrkosten. Worüber streitet die Ampel und was würde sich für Betroffene wie Ulbrich ändern?

Jedes fünfte Kind von Armut bedroht

Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung von Armut bedroht. Das bedeutet, 2,88 Millionen Kinder leben in Familien, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte beträgt. Bei einem Paarhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren beträgt diese Schwelle 2.410 Euro – wer darunter liegt, gilt als von Armut bedroht.

Silke Tophoven ist Soziologin an der Hochschule Düsseldorf. Sie sagt: „Kinderarmut ist Familienarmut.“ Am gefährdetsten seien Kinder dann, wenn ihre Eltern arbeitslos sind oder nur wenig verdienen. Laut Tophoven sind besonders alleinerziehende Mütter und ihre Kinder betroffen. „Armut“, sagt Tophoven, „ist sehr häufig weiblich.“

So wie bei Ulbrich. Sie ist alleinerziehende Mutter von vier Kindern und bezieht Bürgergeld. Also 503 Euro pro Monat plus staatliche Hilfen für die Kinder. Der Unterhalt vom Vater ihrer Kinder gilt als Einkommen und wird mit den Hilfen verrechnet. Sie sei krankgeschrieben und könne nicht arbeiten, sagt sie. Für das Anstehen vor der Arche ist Ulbrich gerüstet: In ihrem Rucksack hat sie einen „Schnulzenroman“ und einen Roman von Jane Austen auf Englisch. Man müsse es sich schön machen, sagt sie. Hinter ihr brüllt und kreischt das Mädchen mit rosa Stiefeln noch immer. Um elf Uhr setzt sich die Schlange langsam in Bewegung, zwanzig Minuten später steht Ulbrich am Eingangstor. „Wir haben es fast auf den Hof geschafft!“ Am Eingang wird gedrängelt. „Hinten ist die Schlange“, sagt eine Frau.

Immer wieder versuchen Menschen ohne Anstehen in den Hof zu kommen. Ulbrich ringt mit sich, soll sie etwas sagen? Dann spricht sie mit den Arche-Mitarbeiter*innen, man kennt sich. Die Dräng­le­r*in­nen werden ans Ende der Schlange geschickt. Um 11.25 Uhr bekommt Ulbrich ein Abrisskärtchen in die Hand gedrückt, wie im Kino. Damit hat sie Anspruch auf eine Tüte Lebensmittel.

Wolfgang Büscher arbeitet seit über 20 Jahren als Sprecher für die Arche. Früher habe er gesagt, die drei wichtigsten Dinge, die die Arche den Kindern mitgeben möchte, seien „Bildung, Bildung und Bildung“. Aber in den letzten Jahren, sagt er, sei Hunger ein immer größeres Thema geworden. Essen werde zunehmend wichtiger für die Arche.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den steigenden Preisen hätten immer mehr Schulen und Familien die Arche um Hilfe gebeten. Deshalb organisiert das Kinderhilfswerk Lebensmittelspenden, um arme Familien zu entlasten. Büscher ist kein Mann leiser Worte, er spricht vom „sozialpolitischen Müllhaufen“, auf den man Kinder werfen würde, und von „Eltern“, die „verloren“ seien. „Wenn wir jetzt nicht in die Kinder investieren, dann müssen wir das später in Transferleistung bezahlen“, sagt er.

Was tut der Staat gegen Kinderarmut? „Eine ganze Menge“, sagt Soziologin Tophoven. Es gibt das Kindergeld, klar. Doch das wird im Fall von Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen wie Ulbrich als Einkommen verrechnet – von einer Erhöhung des Kindergelds haben Familien wie die Ulbrichs also nichts. Das weiß wohl auch Christian Lindner. Stattdessen bekommen Kinder von Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen auch Bürgergeld, zwischen 318 und 420 Euro, je nach Alter. Dann gibt es noch den Kinderzuschlag. Den bekommen Eltern, die arbeiten, aber deren Einkommen trotzdem nicht reicht. Und es gibt die sogenannten Leistungen für Bildung und Teilhabe, das ist Geld für Klassenfahrten, Bücher und Stifte für die Schule, Musikunterricht und Sportvereine. „Selbst für Menschen, die sich gut auskennen, ist es schwierig zu überblicken“, sagt Tophoven.

Zwei Söhne von Ulbrich fechten, erzählt sie ein paar Tage früher in einem Büro der Arche. 23 Euro koste da der Mitgliedsbeitrag im Verein pro Monat – über die Leistung für Bildung und Teilhabe hat sie je Kind Anspruch auf 15 Euro im Monat, damit ihre Kinder Sport im Verein machen oder Musikunterricht nehmen können. Die Differenz von acht Euro zahlt Ulbrich selbst. Die Beantragung beim Jobcenter sei aufwändig, sagt sie, und laufe eigentlich so: Sie beantragt die Leistung für Bildung und Teilhabe für den gesamten Bewilligungszeitraum, also den Zeitraum, in dem sie und ihre Kinder Bürgergeld beziehen. Dafür muss sie einen Nachweis erbringen, dass ihre Söhne Mitglied im Verein sind.

Der Fechtverein rechnet einmal im Quartal ab, also alle drei Monate 69 Euro. Das Geld wird von Ulbrichs Konto abgebucht. Aber auch die 45 Euro Zuschuss vom Staat würden direkt auf das Konto des Vereins überwiesen, sagt Ulbrich. Deshalb überweist der Verein dann wieder 45 Euro an Ulbrich. „Das ist natürlich auch kompliziert für die Ehrenamtlichen im Verein“, sagt sie. Zu kompliziert. Deshalb zahlt sie mittlerweile den Vereinsbeitrag und beantragt die 15 Euro Zuschuss für Trainingslager. Wie behält sie da den Überblick? „Mit ganz vielen Aktenordnern“, sagt sie. Für das Jobcenter, für die Familienkasse, für das Jugendamt, für die Kinder. „Der Kontakt mit den Ämtern ist sehr kompliziert und sehr anstrengend“, sagt sie.

In der sozialen Kälte warten: Eltern bei der Essenausgabe Foto: Arche Hellersdorf

Auch deshalb sagt Tophoven: „Es gibt eine hohe Zahl von Leistungen, die nicht in Anspruch genommen werden.“ Beispiel Kinderzuschlag: Der Kinderzuschlag kann zusätzlich zum Kindergeld beantragt werden, von Eltern, die arbeiten, aber deren Einkommen trotzdem gering ist. Er beträgt maximal 250 Euro im Monat – je nach Einkommen der Eltern. Der Zuschlag erreicht aber nach Schätzungen der Bundesregierung nur etwa ein Drittel der Kinder, die einen Anspruch darauf haben. Warum ist das so?

Laut Tophoven kann das viele verschiedene Gründe haben. Unwissenheit, Stolz, Scham, Angst vor Stigmatisierung oder aufwändige Anträge beim Amt. Und Tophoven sagt auch: „Manche Betroffenen haben auch Angst vor Kontrolle durch die Behörden und Eingriffen in ihr Familienleben.“ Mit der Kindergrundsicherung will Paus – so zumindest der Plan – mehr Familien erreichen. Einerseits durch das Bündeln der Leistungen und andererseits durch die Vereinfachung der Anträge, zum Beispiel durch digitale Anträge. Für Tophoven wäre das „ein Novum“ und „richtig und wichtig“.

Familienministerin Paus will dafür einen sogenannten Kindergrundsicherungs-Check einführen. Mit Hilfe von Steuerdaten soll ermittelt werden, ob Familien neben dem Anspruch auf den Garantiebetrag auch Anspruch auf den Zusatzbetrag haben. Wenn das der Fall ist, sollen die Familien von einer Kindergrundsicherungstelle darüber informiert werden. So müssten sich die Familien nicht mehr selbst mit Onlinerechnern und Informationsbroschüren rumschlagen, um rauszubekommen, auf welche Leistungen sie Anspruch haben, sondern der Staat würde auf die Familien zugehen. Via Online-Portal soll der Antrag dann ganz einfach möglich sein. So zumindest der Plan. Familien, die Bürgergeld beziehen, so wie Ulbrich und ihre Kinder, sollen den Zusatzbetrag automatisch erhalten.

Ulbrichs Söhne fechten sehr erfolgreich. Mehrere Berliner Meisterschaften und eine Deutsche Meisterschaft haben sie schon erkämpft. Für Ulbrich geht es also nicht „nur“ um Vereinsbeiträge. Sondern um Turniere in ganz Deutschland und um teure Ausrüstung wie Floretts, die noch dazu leicht brechen. Dafür können ihre beiden Söhne zwar auch eine Sportschule besuchen. Nur: Obwohl das Fechten zum Unterricht zählt und ihre Söhne an Turnieren teilnehmen müssen, um an der Schule bleiben zu können, übernimmt das Amt die Kosten für Ausrüstung und Turniere nicht, sondern bezuschusst lediglich – denn die Turniere laufen über den Verein und nicht über die Schule. Und Ausrüstungsgegenstände und Fahrten mit Vereinen werden bei Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen mit maximal 150 Euro pro Jahr vom Jobcenter bezuschusst.

1000 Tragetaschen mit Lebensmitteln in einer Turnhalle

Maßnahmenpakete: Taschen mit Kaffee, Reis, Kakao, Aufbackbrötchen, Mehl, Öl, Apfelmus und Hafersahne Foto: Arche Hellersdorf

Und auch hier ist die Antragstellung aufwändig. Momentan brauche ein Sohn wieder Fechtkleidung, erzählt sie beim Anstehen vor der Arche. Einmal sei die Arche eingesprungen, einmal habe der Förderverein der Schule Geld zugeschossen, vielleicht hilft dieses Mal ja der Opa, hofft Ulbrich. Aber ihre Söhne vom Fechten abmelden, das kommt für sie nicht infrage. „Da spare ich lieber woanders. Warum sollte ich das ruinieren? Sie verzichten schon auf so viel.“ Dann blickt sie auf die Uhr. „Eineinhalb Stunden haben wir geschafft.“ Es ist Viertel vor zwölf, Ulbrich kann den Eingang zur Turnhalle sehen. Davor packen Menschen Lebensmittel in Rucksäcke und Koffer, Frauen schieben Kinderwagen an Ulbrich vorbei, darin liegen die bepackten Tüten, die Kinder werden auf dem Arm getragen.

Hinter Ulbrich schreit das Mädchen mit den rosa Stiefeln noch immer, irgendwann kommt eine Arche-Mitarbeiterin und lotst Mutter und Tochter an den Wartenden vorbei. „Vielleicht Fieber“, sagt Ulbrich. An einem Stand schenken Arche-Mitarbeiter*innen Kaffee und Tee aus, für die Kinder gibt es Apfelschorle. Ulbrich trinkt einen heißen Pfefferminztee, ein paar Schlangenmeter weiter stapft ein Kind im Schneeanzug an ihr vorbei. „Manchmal vermisse ich das“, sagt sie. „In dem Alter war ich noch ein und alles für meine Kinder.“

Familienministerin Paus möchte die Leistungen für Kinder erhöhen. Zusammen sollen der Garantie- und Zusatzbetrag der geplanten Kindergrundsicherung das Existenzminimum des Kindes sichern. Und genau dieses Existenzminimum möchte Paus neu berechnen. Aktuell liegt es für Kinder bis sechs Jahre bei 341 Euro, für Kinder bis 14 Jahre bei 372 Euro und für Jugendliche bis 18 Jahre bei 450 Euro. Auch Tophoven meint, dass dieses Existenzminimum neu berechnet werden muss. „Das ist inzwischen eine abgedroschene Phrase, aber Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, sagt Tophoven. Man sollte nicht von einem Existenzminimum ausgehen, sondern für Kinder und Jugendliche „Teilhabe in der Mitte der Gesellschaft realisieren“.

Tabea Ulbrich, alleinerziehende Mutter von vier Kindern

„Ich fahre selber nie in den Urlaub. Aber ich sorge immer dafür, dass meine Kinder in den Urlaub fahren können“

Für Christian Lindner ist eine Erhöhung der Bezüge dabei nicht zwangsweise die Lösung. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er im März, nur auf Geldzahlungen zu setzen, wäre falsch. Er äußerte Bedenken, dass mehr Geld in manchen Fällen nicht bei den Kindern ankäme, sondern nur bei den Eltern. Expertin Tophoven widerspricht. „Die meisten Eltern sparen heute schon bei sich“, sagt Tophoven. Daher könne man davon ausgehen, dass mehr Geld auch den Kindern zugute käme.

„Ich fahre nie in den Urlaub“, sagt Ulbrich. „Aber ich sorge dafür, dass die Kinder in den Urlaub fahren können.“ Entweder ins Trainingslager oder in eine niederländische Gastfamilie, die über das Jugendamt organisiert wurde, oder Jugendfreizeiten über die Jugendhilfe. „Wenn ich Glück habe, sind alle Kinder mal drei Tage gleichzeitig verreist“, sagt Ulbrich. Dann mache sie es sich auf ihrem Balkon gemütlich. „Ich säe Lavendel aus, es riecht gut und ich fühle mich wie in Frankreich.“ Laut Bertelsmann-Studie fahren Kinder aus armen Familien seltener in Urlaub, sind seltener in Sportvereinen, können seltener Hobbys nachgehen und können seltener etwas mit Freun­d*in­nen unternehmen, zum Beispiel ins Kino gehen. Sie laden seltener Freun­d*in­nen nach Hause ein und werden häufiger ausgegrenzt.

Und auch bei Bildung und Gesundheit müssen Kinder aus armen Familien zurückstecken. So erzählt Ulbrich, wie einmal ihre Tochter krank geworden sei: über 40 Grad Fieber, Husten, Atemnot. Im Krankenhaus hätte man ihr rezeptfreie Medikamente verschrieben. Für rund 200 Euro auf einem grünen Zettel. Das bedeutet, die Anwendung wird für notwendig erachtet, aber nicht direkt übernommen. Die Rechnung konnte sie zwar bei der Krankenkasse einreichen, aber sie musste in Vorkasse gehen. „Was macht man, wenn man das Geld nicht auf dem Konto hat?“ Ulbrich lieh das Geld von ihrer Mutter. „Hat man solche Hilfe nicht, hat man ein Problem.“

Beiträge bündeln, Leistungen erhöhen, Anträge vereinfachen – das wäre für die Soziologin Tophoven „ein großer Wurf“. Aber ob der Diskussionen in der Ampel bleibt sie „noch skeptisch“, ob die Kindergrundsicherung kommt. Auch Ulbrich ist skeptisch. Sie würde sich wünschen, dass mehr mit Betroffenen gesprochen wird. Denn diejenigen, die über arme Menschen entscheiden würden, seien selbst nicht betroffen. Und sie fragt sich, warum die Behörden nicht besser zusammenarbeiten und Jobcenter, Familienkasse und Jugendamt nicht auf eine gemeinsame Akte zugreifen können – so wie das bei der Patientenakte geplant ist. Das Warten auf Antworten vom Amt sei besonders schlimm, auch weil man oft in Vorkasse gehen müsse. „Man sitzt wie auf Kohlen, weil man nicht weiß, ob man Geld bekommt.“

Um 12.15 Uhr bekommt Ulbrich eine Tüte Lebensmittel in die Hand gedrückt. Zwei Stunden anstehen, für Brot, Reis und Mehl. Dann muss sie los: Getränke für ihre erkältete Mutter einkaufen und zum Arzt mit ihrem Sohn. Am nächsten Morgen fährt sie nach Schwerin, ihr Sohn kämpft um die Deutsche Meisterschaft. 250 Euro würde das Wochenende kosten, sagt sie. Sie hofft, dass kein Florett bricht.

*Name auf Wunsch der Betroffenen geändert

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