Deutschlands Klimabilanz: Unverdiente Krisengewinner

Ohne Pandemie und Krieg hätte Deutschland seine Klimaziele in den letzten Jahren gerissen. Die Regierung will ihre Verantwortung sogar noch aufweichen.

Kleingarten vor Industriekulisse

Reicht nicht für die Klimabilanz: Kleingartenidyll vor Industriekulisse in Duisburg Foto: Olaf Döring/imago

Deutschland kriselt sich durch seine Klimaschutz-Verpflichtungen. Erst blieben durch die Coronapandemie alle zu Hause und die Wirtschaft stand still, dann fuhr die Industrie ihre Produktion massiv zurück, weil das russische Erdgas knapper wurde und schließlich ausblieb. Ohne solche Zwangslagen hätte Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder sein Klimaziel gerissen. In einzelnen Bereichen, nämlich beim Heizen und seit 2021 auch beim Verkehr, war das ohnehin der Fall – konnte aber rechnerisch ausgeglichen werden, weil eben krisengebeutelte Unternehmen nicht liefen und entsprechend wenig emittierten.

Und wo wir gerade dabei sind: Einen nennenswerten Anteil der bisherigen CO2-Einsparung seit 1990 hat der Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft nach der Wende aus Versehen mitgeliefert. Man könnte daraus schließen, dass Degrowth der einzige verlässliche Weg aus der Klimakrise ist. Wenn die Wirtschaft schrumpft, gehen die Emissionen zurück – das ist gut nachgewiesen. Aus ebendiesem Grund beschäftigen sich viele Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen damit, wie eine Welt ohne das bisherige Wirtschaftswachstum aussehen könnte. Also eine gezielt gesundgeschrumpfte Welt sozusagen, ohne den Krisenfaktor.

Pragmatisch gesehen gehört Postwachstum aber schlicht nicht zu den Zielen der Ampelregierung – Klimaschutz hingegen sehr wohl. Und daran muss sie sich messen lassen. Stattdessen will die Bundesregierung ihre Verantwortung aktuell eher aufweichen. Auch wenn noch nicht alle Details klar sind: Künftig soll nicht mehr je­de:r Bun­des­mi­nis­te­r:in jedes Jahr persönlich dafür zuständig sein, etwaige Klimaverfehlungen seines Ressorts mit einem Sofortprogramm auszugleichen.

Wenn die Ampel das Klimaschutzgesetz wie geplant reformiert, gibt es bald nur noch eine sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung beim Klimaschutz. Dann könnte die Regierung theoretisch mehr Klimaschutz im Energie- oder Industriesektor durchsetzen und dadurch Lücken beim Verkehr oder beim Heizen ausgleichen.

Der Expertenrat für Klimafragen, ein von der Bundesregierung selbst einberufenes Gremium, hat aber Zweifel: „Eine mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung sowie die verschiedenen Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus im Klimaschutzgesetz erhöhen das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen“, sagte die Physikerin Brigitte Knopf, Mitglied des Rats. Das sollte die Regierung sich zu Herzen nehmen. Ein Gutachten des Gremiums zeigt: In einem Jahr ohne kleinere Wirtschaftskrise gibt es keinen Spielraum, um die Mängel bei Verkehr und Heizen auszugleichen.

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Jahrgang 1991, ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.

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