Kein Druck ohne Mantel

Schleswig-Holsteins Verleger mit Gewerkschaften einig – aber Tarifstreit hält Hamburgs Zeitungen weiter dünn

Gestern war große Aufregung angesagt im Hamburger Abendblatt. „Billigfirmen bedrohen Hamburgs Handwerk“ lautete die Schlagzeile und es ging über Menschen aus östlichen EU-Ländern, die mit „Dumpingpreisen“ den Fliesenlegern das Geschäft versauen würden – das gewöhnlich dünne Süppchen. Bemerkenswert aber, dass es in einer außergewöhnlich dünnen Zeitung erschien. Ursache ist derDrucker-Warnstreik in Hamburg und Niedersachsen. Seit zwei Wochen schon halten das mittlere Management und reaktivierte Ruheständler die Maschinen in Gang. Und während sich die vier schleswig-holsteinischen Zeitungverlage am Dienstag mit der verdi-Gewerkschaft geeinigt haben, laufen die Verhandlungen fürs übrige Bundesgebiet in Wiesbaden weiter. Auch gestern noch ohne Ergebnis.

Ein bisschen schizophren wirkt das schon, denn auch im nördlichsten Bundesland hat der Springer-Verlag ein gewichtiges Wörtchen mitzureden: Springer hält die Hälfte der Lübecker Nachrichten und ein Drittel der Kieler Nachrichten gehören auch zum Portfolio des Mega-Verlags. Oder wäre der Abschluss ein Testballon für die bundesweiten Verhandlungen? Sieht eher nicht so aus: „Mit Kopfschütteln“ hätte der Verleger-Bundesverband BDZV die Entscheidung des unabhängigen regionalen Arbeitgeber-Verbandes quittiert, weiß Gewerkschaftssekretär Rolf Schumacher. Und traut dem Kieler Abschluss „keinen großen Einfluss“ auf die Inhalte der Wiesbadener Gesprächsrunde zu. Dabei liest sich der nicht gerade wie ein rauschender Erfolg der verdianer: Nur 0,9 Prozent Lohnerhöhung, das ist nicht einmal ein Viertel der ursprünglichen Forderung. Die lag bei 3,7 Prozent.

Die ist aber auch „zweit, nein, dritt- nein, viertrangig“, sagt Schumacher. Wichtig sei, dass in Schleswig-Holstein der Manteltarif-Vertrag bis 2009 verlängert wurde. Den hat der BDZV im vergangenen Jahr gekündigt. Er fordert eine „Öffnungsklausel, die es auf betrieblicher Ebene ermöglicht, durch Einzelfallösungen Kündigungen zu vermeiden“. Konkret bedeute das „bis zu 30 Prozent weniger Lohn“, befürchtet Schumacher, „und die völlige Auflösung der Solidarität“. Jedenfalls würde es ermöglichen, Billigkräfte zu Dumpingpreisen zu beschäftigen. Was eher unwahrscheinlich ist: Dass sich beim Hamburger Abendblatt darüber jemand aufregen würde. bes