Klimaschutz in Niedersachsen: Rot-Grün bohrt Klimagesetz auf

Die niedersächsische Landesregierung will das Land nun schon bis 2040 klimaneutral machen. Für bedeutende Vorhaben ist ein Klimacheck vorgesehen.

Ein gelber Bagger auf einer riesigen wüsten Torfabbaufläche, im Vordergrund schwarze Torfhaufen, im Hintergrund Wald.

Torfabbau verträgt sich nicht mit den Klimazielen, deshalb soll er verboten werden Foto: Markus Scholz/dpa

HANNOVER taz | Als die Grünen noch in der Opposition waren, hatten sie gut reden: Zu wenig, zu spät, zu unverbindlich lautete ihre Kritik am niedersächsischen Klimagesetz. Jetzt tragen sie selbst Regierungsverantwortung und sind in der Verlegenheit, selbst nachschärfen zu müssen. Am Mittwoch brachten die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen ihren Vorschlag für die dritte Novelle des Klimagesetzes in den Landtag ein. Nach der Sommerpause wird sie in den Fachausschüssen beraten.

Klimaneutral bis 2040

Niedersachsen will bis 2040 klimaneutral werden (bisher galt 2045), die Landesverwaltung schon bis 2035. Dazu müssen die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 75 Prozent und bis 2035 um 90 Prozent verringert werden. Jährliche Zwischenziele und Ziele für die einzelnen Sektoren werden in der Klimaschutzstrategie des Landes festgeschrieben, die 2024 erneuert werden soll.

Vorrang für Klimaanliegen

Genehmigungs- und Entscheidungsverfahren, die Klimaschutzziele betreffen, sollen künftig in allen Behörden – auch in den Kommunen – priorisiert werden. Dazu werden sie als Anliegen von „überragendem öffentlichen Interesse“ definiert. Dahinter hat beispielsweise auch der Denkmalschutz zurückzustehen. Das betrifft nicht nur Genehmigungsverfahren für Windkraft- und Photovoltaikanlagen, sondern auch Maßnahmen, die der Anpassung an Klimafolgen dienen, wie beispielsweise der Hochwasserschutz.

Klimacheck und Klimarat

Bei Vorhaben „von wesentlicher Bedeutung“ soll künftig ein Klimacheck verpflichtend sein – so ähnlich, wie heute schon bei Entscheidungsvorlagen beziffert werden muss, wie sie sich finanziell und in Gleichstellungsbelangen auswirken. Als Kontrollorgan soll ein Klimarat eingeführt werden. Er soll sich aus unabhängigen Wissenschaftlern und Vertretern der Zivilgesellschaft zusammensetzen, die jährlich die Einhaltung der Ziele überprüfen und Vorschläge zur besseren Umsetzung machen. Die Mitglieder werden vom Umweltministerium vorgeschlagen und von der Landesregierung ernannt.

Mehr Photovoltaik-Flächen

Um die Umstellung auf erneuerbare Energien zu fördern, sollen nicht nur 2,2 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete für die Windenergie, sondern auch 0,5 Prozent der Fläche für Freiflächen-Photovoltaik ausgewiesen werden. Um Flächennutzungkonflikte mit der Landwirtschaft zu minimieren, gibt es aber künftig Vorgaben, welche Bodentypen dafür infrage kommen. Außerdem sollen „Agri-PV“-Anlagen, also Anlagen, die eine Doppelnutzung als landwirtschaftliche Fläche und Photovoltaik erlauben, stärker gefördert werden.

Dächer und Parkplätze

Bei Gebäuden soll nicht nur für Neubauten, sondern auch bei grundlegenden Dachsanierungen eine Photovoltaikpflicht gelten. Für eine sozialverträgliche und wirtschaftliche Ausgestaltung soll es eigene Förderprogramme geben. Parkplätze sollen beim Neubau oder der Sanierung ebenfalls eine PV-Überdachung erhalten. Und zwar schon ab 25 Stellplätzen, nicht wie bisher vorgesehen erst ab 50.

Torfabbau beenden

Der Abbau von Torf ist in Niedersachsen ein heiß umstrittenes Thema. Weil die Böden große Mengen CO2 freisetzen, gilt er als besonders schädlich. Gleichzeitig ist er ein bedeutsamer Wirtschaftszweig. Das neue Gesetz sieht ein grundsätzliches Abbauverbot vor – mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel bei der Wiedervernässung von Mooren. Allerdings gilt dies nur für neue Genehmigungen. Viele Unternehmen verfügen noch über lang laufende Genehmigungen.

Kritik des BUND

Der BUND begrüßt das Torfabbauverbot, kritisiert aber, dass jetzt schon vorliegende Anträge noch nach altem Recht entschieden werden sollen. Überhaupt fehle es an konkreten Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung von natürlichen Kohlenstoffsenken wie Mooren, Wäldern und Auen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien müsste stärker auf eine naturverträgliche Ausgestaltung geachtet werden.

Kritik der CDU

Der umweltpolitische Sprecher der CDU, André Hüttemeier, kritisierte, die Landesregierung mache die gleichen Fehler wie die Ampel. Unklare Regelungen schürten Ängste bei Hausbesitzern, außerdem würden Bürokratiemonster geschaffen statt wirksamer Förderprogramme.

Vollständig fehlen würden dagegen Themen wie Tiefengeothermie, Biogas, Netzausbau und intelligente Netze. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien würden außerdem das Verbandsklagerecht und die mangelnden Genehmigungen für Schwerlasttransporte Probleme machen.

Immerhin stellt die CDU die Klimaziele nicht grundsätzlich infrage – anders als die AfD, die schon vorher für einen Eklat gesorgt hat. Zur von ihr beantragten aktuellen Stunde zum „Gebäudeenergiegesetz“ – ein Bundesthema, das nicht im niedersächsischen Landtag ­entschieden wird – posierten die Fraktionsmitglieder mit Protestschildern mit der Aufschrift „Keine Heizung ist illegal“ und freuten sich sichtlich über die eigene Provokation.

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