orte des wissens
: Zeugnisse des Umbruchs

Die Bibliothek des Hamburger Museums der Arbeit dokumentiert, wie sich die Arbeitswelt verändert

Vor dem Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek steht T.R.U.D.E. („Tief runter unter die Elbe“), das Schneidrad des gigantischen Bohrers, der die vierte Elbtunnelröhre grub. Trotz der Präsentation von Fertigungs- und Druckmaschinen sowie Relikten industrieller Fertigung versteht sich das Museum nicht vorrangig als Technikmuseum. Auf dem Gelände der einstigen „New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie von 1871“ soll vielmehr der Wandel der Arbeitswelt anschaulich werden.

So hybrid wie Konzept des Museums ist auch das Angebot seiner Bibliothek. Der Freundeskreis des Museums gründete sie 1984 – noch bevor das Museum 1997 eröffnete. In der Obhut von Bibliothekarin Bettina Herrmann liegen Quellensammlungen aus typischen Hamburger Branchen, der Tabak- und Lebensmittelindustrie, der Metallindustrie, dem grafischen Gewerbe.

Werden dem Museum Firmenarchive übereignet, profitiert auch die Bibliothek. So zeigen Plakate aus dem Unilever-Archiv die Produkt- und Werbegeschichte der Margarine RAMA. Und als das Museum das Fotoarchiv der Reemtsma Cigarettenfabriken übernahm, zählten auch Bände zur Kulturgeschichte des Tabaks dazu.

Sozialhistorische Perspektive

Bibliothekarin Herrmann betont, wie eng Bibliotheks- und Archivarbeit verbunden und mit den Angeboten des Museums verzahnt seien. Die Bibliothek liefert den KuratorInnen Anregungen oder stellt Medien für die jeweiligen Schauen bereit. Zentral ist dabei die sozialhistorische Perspektive: Wie beschreiben Menschen ihren Arbeitsalltag, wie erstreiten sie Veränderungen? Wie erleben sie den Niedergang gewohnter Fertigungsverfahren, die Schließung von Unternehmen? Diese Dynamiken zu reflektieren, das bestimmt auch die Arbeit der Bibliothek. Sie besitzt „graue Literatur“, also Firmenschriften und Broschüren. Außerdem hält sie über 100 Zeitschriften sowie Kataloge internationaler Museen.

Der „geistige Fassungsraum Bibliothek“ (Elias Canetti) bietet ein schier unendliches Kenntnis-Reservoir. Die Bibliothek des Altonaer Museums enthält über 80.000 Bände, die Bibliothek des Museums für Hamburgische Geschichte 120.000. Im Vergleich dazu ist die Bibliothek des Museums der Arbeit mit 40.000 Medien zwar weniger umfangreich. Doch verdeutlicht ihr Bestand die Umbrüche von Produktions- und Arbeitsweisen. Die Ausstellung „Out of office. Wenn Roboter und KI für uns arbeiten“ etwa erkundete, wie die digitale Transformation die Arbeitswelt revolutioniert. Und 2017 gab es eine Schau über Karl Marx’„Kapital. 150 Jahre Kritik der politischen Ökonomie“, dessen erster Band 1867 in Hamburg gedruckt worden war.

Um dieses Monumentalwerk anschaulich werden zu lassen, verschwisterten sich Bibliothek, Archiv und Museum aufs Schönste. Zumal zum Bestand eine historische Druckwerkstatt gehört, in der sich BesucherInnen im Buchdruck üben und Bücher selbst binden können. Frauke Hamann