KOMMENTAR VON INES POHL
: Obamas radikales Bekenntnis

Mit seinem Ja zur Homoehe zeigt der Präsident: Ich bin immer noch euer Kandidat

Für viele Deutsche mag es schwer vorstellbar sein, was es bedeutet, wenn sich der Präsident der USA zur besten Sendezeit im überregionalen Fernsehen für die Gleichstellung der Homoehe ausspricht. Doch Barack Obamas Bekenntnis ist radikal, ja historisch.

In Deutschland gibt es die Homoehe schon seit 2001, sie ist nicht perfekt, sie garantiert immer noch keine hundertprozentige Gleichberechtigung (vor allem sobald das Thema Kinder ins Spiel kommt). Aber das von Rot-Grün auf den Weg gebrachte Gesetz hat einen wichtigen Liberalisierungsschub ausgelöst und die politische Kultur imprägniert. Es ist hierzulande nicht vorstellbar, dass ein Politiker versuchen würde, sich mit offen homophober Rhetorik zu profilieren.

Das ist in den USA immer noch ganz anders. Vor allem im Landesinneren, in den „Biblebelts“, ist die Repression, der Schwule, Lesben und deren Unterstützer ausgesetzt sind, ungebrochen brutal und menschenverachtend. Kirchen betreiben Teufelsaustreibungen, homosexuelle Jugendliche erfahren soziale Folter – und werden so nicht selten in die Psychiatrie oder in den Tod getrieben.

Nun darf man Barack Obama unterstellen, dass es nicht seine Überzeugung allein war, die ihn bei seinem Ja zur Homoehe antrieb. Es ist Wahlkampf, und ein Sechstel seiner Großspender ist homosexuell. Seit Jahren warten sie darauf, dass Obama in die Tat umsetzt, was er schon in seiner Kampagne von 2009 versprochen hatte. Außerdem weiß Obama, dass er sechs Monate vor der erhofften Wiederwahl noch viel dafür tun muss, um die Jugend sowie die kulturell und politisch progressiven Wählerinnnen und Wähler erneut hinter sich zu versammeln. Obama hat im Amt viele Hoffnungen enttäuscht. Mit seinem Einsatz für die Homoehe will er nun zeigen: Ich bin immer noch euer Kandidat. Dass er bei vielen religiös geprägten schwarzen Wählern mit dem Thema nicht punkten wird, ist ein Risiko. Doch Obama wird hoffen, dass sie dennoch für ihn stimmen – damit der erste schwarze Präsident weiter im Weißen Haus bleiben kann.

Und das ist auch gut so: Obama hat Millionen Menschen in den USA den Respekt gezollt, der ihnen lange verwehrt blieb; er hat sich öffentlich dazu bekannt, dass jeder so leben und lieben darf, wie er oder sie möchte. In den USA ist das alles andere als selbstverständlich. Obama hat mit seinem Bekenntnis zur Homoehe erneut Geschichte geschrieben.