Geplante Lauterbach-Entführung: Wirrer Auftritt der Angeklagten

In Koblenz stehen Coronaleugner wegen eines gescheiterten Staatsstreichs vor Gericht. Die Angeklagten zählen zum sogenannten Reichsbürgermilieu.

Ein verpixelter Reichsbürger und ein Polizist im Gerichtssaal

Die sogenannten Vereinten Patrioten sind für die nächsten Jahre wohl erstmal getrennt Foto: Boris Roessler/dpa

KOBLENZ taz | Vor dem Oberlandesgericht Koblenz müssen sich seit Mittwoch fünf Angeklagte aus der Szene der Coronaleugner und Verschwörungstheoretiker verantworten, die als „nationale Patrioten“ eine terroristische Vereinigung gebildet und einen Umsturz in Deutschland vorbereitet haben sollen. Laut Anklage wollten sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit einem militärischen Kommando vor laufenden Kameras aus einem Fernsehstudio entführen.

Mit einer Bombenserie sollte zudem die Energieversorgung in Deutschland lahmgelegt werden. Die „silent night“ ohne Strom sollte den Staatsstreich vorbereiten, bei dem die Gruppe die Macht in Deutschland übernehmen wollte. Mit einem gecharterten Schiff sollte eine fünfköpfige Delegation ins russische Kaliningrad reisen, um die Anerkennung der Putschisten durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erwirken.

Es sind verstörend unrealistische und skurrile Positionen und Aktionen, mit denen die Angeklagten aus dem „Reichsbürger“-Milieu den Putsch gegen die von ihnen abgelehnte Staatsordnung in Deutschland vorbereitet haben sollen. Doch abgehörte Telefongespräche, ausgewertete Chats und schließlich ein versuchter Waffenkauf führten zwischen April und Oktober 2022 zu Festnahmen. Januar 2023 folgte die Anklage der Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Zum Prozessauftakt hat zunächst die 75-jährige promovierte Theologin Elisabeth R. ihren Auftritt, nach Überzeugung der Anklage der ideologische Kopf der Gruppe. Zwei Justizangehörige müssen die hagere Frau mit den langen weißen Haaren stützen. Mehrfach ringt sie demonstrativ um Atem. Von ihr stammt das Programm der Gruppe, sie wollte die Ordnung der Bundesrepublik als Ergebnis einer „jüdisch jesuitischen Verschwörung“ abschaffen und das Kaiserreich von 1871 wiederherstellen, freilich ohne Kaiser.

Auf verdeckte Aktion des LKA hereingefallen

Elisabeth R. widerspricht der Vorsitzenden Richterin, als die ihre Personalien feststellt. „Ich bin nicht anwesend als Person, sondern nur als Treuhänder der juristischen Person“, ruft sie in den Saal und bittet um ein Glas Wasser. Bei der Verlesung der Anklageschrift legt sie ihren Kopf auf die Bank. „Ich habe Angst, dass ich mich übergeben muss“, erklärt sie später ihr auffälliges Verhalten.

Von ihr sind in diesem Verfahren weitere verwirrende Auftritte zu erwarten. Wie sie sitzen auch ihre vier Mitangeklagten in Haft. Im April 2021 hatte die Polizei den 56-jährigen Thomas O. in Neustadt an der Weinstraße bei dem Versuch festgenommen, automatische Waffen und Pistolen zu kaufen.

Der ehemalige NVA-Offizier war auf einen verdeckten Ermittler des LKA hereingefallen. Sven B., 55 Jahre alt und ebenfalls mit NVA-Vergangenheit, sollte als Chef der Operation „Klabautermann“ die Entführung des Bundesgesundheitsministers leiten.

Doch die Verteidiger von O. und B. fordern die Einstellung des Verfahrens. Mit dem Angebot, Waffen zu besorgen, habe der verdeckte Ermittler „Mark“ vom LKA die Straftat erst provoziert, deshalb seien die so erlangten Beweise nicht verwertbar, argumentiert B.s Anwalt Philipp Grassl.

Zum Zeitpunkt des polizeilichen Zugriffs sei zudem noch gar keine terroristische Vereinigung gebildet gewesen; zudem seien sämtliche Aktivitäten der Gruppe unter der Beobachtung der Strafverfolgungsbehörden abgelaufen, so Grassl.

Weder Neonazi noch Reichsbürger

Über diesen Antrag auf Einstellung des Verfahrens muss der Senat nun ebenso entscheiden, wie über eine ganze Reihe von weiteren Anträgen. Zum einen fordern mehrere Rechtsanwälte eine Ton- oder Videoaufzeichnung, wegen der zeitgeschichtlichen Bedeutung des Verfahrens. Ein Verteidiger beschwert sich über die drangvolle Enge auf der Verteidigerbank, ein anderer rügt die begrenzte Zahl an Plätzen für PressevertreterInnen und Publikum.

Ex-Militär Sven B., der gescheiterte Waffenaufkäufer, der mit einem MP-Kommando den Bundesgesundheitsminister aus einem Fernsehstudio entführen wollte, wird jedenfalls die Bühne nutzen, die ihm dieser Prozess bietet. B. verstehe sich weder als Neonazi noch als Reichsbürger, sondern er habe sich gegen die Zumutungen des Staates in der Coronapandemie gewehrt, sagt sein Anwalt.

B. gibt noch im Gerichtssaal zu Protokoll, er werde JournalistInnen gerne „in Wort und Bild“ zur Verfügung stehen. Doch die Vorsitzende Richterin stoppt den redseligen Angeklagten. Interviews werde sie nicht zulassen, stellt sie fest, bevor die fünf Angeklagten in Handschellen abgeführt werden.

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