Rache für Zivilcourage

Eine Schwarze Frau ruft nach einer rassistischen Beleidigung die Polizei. Und landet selbst vor Gericht

Von Luise Mösle

Der Vorwurf wiegt für eine Journalistin schwer: uneidliche Falschaussage wirft die Staatsanwaltschaft Wafaa Albadry vor. Und das in einem Fall, in dem sie selbst als Klägerin aufgetreten war. Weil die Schwarze Frau gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, landete der Fall vor dem Amtsgericht Moabit. Nach anderthalb Stunden wird das Verfahren am Freitag eingestellt. Eine der Haupt­zeu­g*­in­nen – eine 29-jährige Polizistin – kann nicht mehr sicher bestätigen, was sie ursprünglich zu Lasten der Angeklagten behauptet hatte.

Was war passiert? Die Polizistin und zwei weitere Personen hatten die Journalistin beschuldigt, sie bei einem Einsatz am 19. Januar 2020 mit den Worten „Nazideutschland, Scheiß-Deutschland, Nazi-Cops“ beleidigt zu haben. Albadry erzählt, dass sie die beiden Be­am­t*in­nen an jenem Tag selbst zu Hilfe gerufen habe, da sie nach einem Einkauf am Ostbahnhof von einem Supermarktangestellten mehrfach mit den Worten „Geh raus aus Deutschland“ beleidigt worden sei.

Von den diensthabenden Po­li­zis­t*in­nen habe sie sich vor Ort und später auf der Wache allerdings nicht unterstützt gefühlt, ein Beamter sei ihr gegenüber aggressiv aufgetreten. Diese Aussage bestätigt auch die Polizistin im Gerichtssaal.

Wafaa Albadry erstattete Anzeige gegen den Supermarktmitarbeiter, der Fall wurde am 2. August 2021 fallen gelassen. Über die Frage des zuständigen Richters, ob sie die Be­am­t*in­nen bei dem Vorfall als „Nazi-Cops“ beschimpft habe, sei sie sehr überrascht gewesen, sagt Albadry vor dem Amtsgericht der taz. „Das sind Worte, die ich nicht nur an diesem Tag nicht benutzt habe, sondern generell nicht benutze.“ Da der Supermarktmitarbeiter, der wegen Beleidigung angeklagt war, das aber behauptet hatte und die Polizistin dies vage bestätigte, erstattete der Richter Strafanzeige wegen Falschaussage gegen die Journalistin.

Beim Prozess am Freitag kann sich die Polizistin allerdings nicht mehr erinnern, ob Wafaa Albadry sie und ihren Kollegen in der aufgeheizten Situation wirklich mit diesen Worten beleidigt hat. Auf wiederholte Nachfrage der Anwältin Ilil Friedman, ob sie sich an genau diese Worte ihrer Mandantin erinnern könne, antwortet die Beamtin schließlich mit Nein. Der Prozess wird daraufhin ohne Auflagen eingestellt, die Anwaltskosten muss Wafaa Albadry allerdings selbst tragen.

Für Ilil Friedman ist dieser Ausgang eine pragmatische, wenn auch unbefriedigende Lösung. Sie sieht ihre Mandantin durch die Strafanzeige vorverurteilt. „Für mich als Journalistin wiegt dieser Vorwurf schwer“, bestätigt auch Wafaa Albadry nach der Verhandlung. „Auch als alleinerziehende, Schwarze Frau trifft mich das hart. Es fühlt sich an wie eine Vergeltungsmaßnahme, weil ich mich getraut habe, Diskriminierung in Deutschland anzuzeigen.“

Ihre Anwältin vermutet gegenüber der taz, dass es zur Strafanzeige kam, weil der Richter ein Zeichen setzen wollte. Die Staatsanwaltschaft habe den Fall ohne kritische Prüfung verfolgt. Die Polizistin hingegen müsse keine Konsequenzen wegen ihrer nicht haltbaren Beschuldigung befürchten, vermutet die Anwältin. „Wir haben darüber nachgedacht, dass sie konsequenterweise belangt werden müsste. Aber Polizisten erhalten in so einem Fall schlimmstenfalls eine Belehrung.“