Referendum in Italien fruchtet nicht

In Italien verfehlt eine Volksabstimmung über die künstliche Befruchtung das notwendige Quorum. Die Boykott-Strategie der katholischen Kirche ist nicht aufgegangen. Bei den Parteien ist jetzt Trümmerbeseitigung das Gebot der Stunde

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Mangels Beteiligung ist in Italien das Referendum über das Gesetz zur künstlichen Befruchtung gescheitert. Nur 26 Prozent der Abstimmungsberechtigten beteiligten sich am Sonntag an der Befragung, wie das Innenministerium gestern Nachmittag mitteilte. Für eine Annahme wären ein Quorum von 50 Prozent erforderlich gewesen.

Angestrengt hatten den Volksentscheid die kleine Partei der Radikalen sowie einige Oppositionsparteien der Linken: die Linksdemokraten, die Kommunisten, die Grünen. Ihnen ging es um die Korrektur von vier als besonders rigide empfundenen Normen des Gesetzes: um die Abschaffung des Paragrafen, der der gerade befruchteten Eizelle volle Persönlichkeitsrechte zubilligt; um die Beseitigung des Verbots, mehr als drei Eizellen zu befruchten und einige von ihnen einzufrieren; um die Erlaubnis, auch auf Spendersamen zurückzugreifen; um die Möglichkeit einer Präimplantationsdiagnostik am Embryo, um genetische Missbildungen und Erbkrankheiten aufzuspüren, sowie um die Möglichkeit, an embryonalen Stammzellen zu forschen.

Gegen das Referendum stand nicht nur das Gros der Regierungsparteien, die mit den meisten Abgeordneten der Mitte-Oppositionspartei „Margherita“ das Gesetz verabschiedet hatten. Vor allem die katholische Kirche machte in den letzten Monaten gegen jede Gesetzesänderung mobil. Die Bischofskonferenz setzte aber nicht auf ein Nein an der Urne, sondern auf Boykott: Meinungsumfragen im Januar machten deutlich, dass nur 14 Prozent der Wähler dem katholischen Aufruf zu einem Nein folgen würden.

Da hatte es der Boykott leichter: 30 Prozent bleiben in Italien bei Referenden erfahrungsgemäß sowieso zu Hause. Zur Gruppe der Uninteressierten gesellte sich diesmal eine zweite Gruppe, die der Ratlosen: Viele Bürger taten sich schwer, in der komplizierten Materie zu einer dezidierten Position zu finden. Blieb für die Kirche nur die Aufgabe, die Minderheit der treuen Gläubigen zur „aktiven Stimmenthaltung“ zu mobilisieren, um den sicheren Sieg des Ja zu verhindern.

Ergänzt wurde diese Strategie durch Tricksen: Der Termin für die Abstimmung wurde auf den spätestmöglichen Zeitpunkt im Juni gelegt, im sicheren Wissen, dass angesichts der wegen Ferien geschlossenen Schulen und des schönen Wetters viele am Strand statt im Wahllokal sein würden. Und weder das Staatsfernsehen RAI noch Berlusconis Mediaset-Kanäle informierten ausführlich über das Referendum.

Stattdessen gab es eine schrille Hasskampagne vor allem aus der katholischen Ecke: Da fanden sich Wissenschaftler, die für Stammzellenforschung eintreten, als „Frankensteins“ oder „Mengeles“ geschmäht, die Bekämpfung von Erbkrankheiten wurde mit Nazi-Eugenik und Euthanasie auf eine Stufe gestellt. Die Referendumsbefürworter zahlten mit gleicher Münze heim: Sie warfen den Katholiken vor, „den Tod von vier Millionen Kranken in Italien“ zu wollen.

Zu einer gesellschaftlichen Spaltung hat die Verbalschlacht jedoch nicht geführt – die meisten Bürger wandten sich eher irritiert und verwirrt ab. Trümmerbeseitigung steht dagegen in den politischen Lagern an. So muss Außenminister Gianfranco Fini mit einer Revolte in seiner Partei, der postfaschistischen Alleanza Nazionale, rechnen. Fini hatte zur Beteiligung statt zum Boykott aufgerufen. Und so stehen auch dem Oppositionsbündnis unter Romano Prodi heftige Debatten ins Haus: Der Prodi-Gegenspieler und Margherita-Chef Francesco Rutelli hatte an der Seite der Kirche für den Boykott getrommelt und fühlt sich deutlich gestärkt.