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: „Die Blauhelme verteilen Brosamen, damit die Bevölkerung Ruhe gibt“

Für die Produkte – und die Anliegen der Frauen-Kooperative Musow Lafia wirbt Aïssata Soumaroro

Interview Benno Schirrmeister

taz: Madame Soumaoro, was bedeutet Musow Lafia, also der Name Ihres Kollektivs?

Aïssata Soumaoro: Das ist Bambara, die am weitesten verbreitete Sprache in Westafrika, für die meisten von uns die Muttersprache. Musow bedeutet Frauen, der Ausdruck Lafi lässt sich am besten als Frieden, Gelassenheit oder Ruhe übersetzen.

Es ist ausdrücklich ein Frauenkollektiv …

Ja. Wir sind Aktivistinnen, die für unterschiedliche Anliegen kämpfen: gegen die Gewalt, die Frauen angetan wird, für die Rechte der Frauen, die ihre Angehörigen auf den Migrations-Routen verloren haben. Um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, haben wir uns in dieser Kollektive zusammengeschlossen, die Agrarprodukte verarbeitet.

Das scheint mir etwas Besonderes, dass Sie, in Bamako in Mali angesiedelt, nicht Landwirtschaft, sondern eben Veredelung von Agrar­produkten betreiben. Warum ist das wichtig?

Das lag für uns auf der Hand, weil die meisten Frauen, die bei uns mitmachen, eine entsprechende Ausbildung haben. Wir sind da also von diesen Erfahrungen ausgegangen. Das ist sicher ausbaufähig, aber mit Lebensmittelverarbeitung konnten wir halt anfangen …

Info-Veranstaltungen von Afrique-Europe Interact mit Aissata Soumaoro am 13. 6., Stadtkommune alla hopp, Hardenbergstr. 50-54, Bremen, mit Küche für Alle (malisches Essen), 18.30 Uhr sowie am 16.6. im V30, Vogelhüttendeich 30, Hamburg, 19 Uhr.

Filmvorführung und Gespräch: „Die vergessenen Migrant:innen“, 15. 6., Kulturzentrum Lagerhaus, Bremen, 19.30 Uhr.

Was verarbeiten Sie denn?

Vor allem Fonio: Das ist eine Art Hirse, die hier nicht so bekannt ist, aber in ganz Westafrika sehr viel gegessen wird – und auch in Frankreich ziemlich beliebt ist. Außerdem machen wir „pâte d’arachides“, Erdnussmus. Unser Erdnussmus ist wirklich sehr lecker. Außerdem gibt es noch eine Spezialität, eine Mischung aus Fonio und gemahlenen Erdnüssen. Die heißt Djouka und wird ähnlich zubereitet wie Couscous, aber es ist so köstlich, das kann man nicht vergleichen.

Sind das Produkte für den innerafrikanischen Markt – oder auch für den Export?

Na, wie gesagt: Das wird in ganz Westafrika gegessen – Senegal, Burkina Faso, Elfenbeinküste … Das sind sehr beliebte Produkte, dahin exportieren wir schon. Und wir wollen damit auch auf den europäischen und asiatischen Markt. Deshalb toure ich ja auch gerade durch Deutschland, heute in Bremen, am Wochenende in Hamburg, nächste Woche in Freiburg: Wir wollen hier Kunden finden. Denn das ist wichtig für uns Frauen, weil wir dadurch Einfluss gewinnen, Sichtbarkeit und wirtschaftliche Macht: Wir arbeiten zusammen mit Frauen, die unglaubliche Gewalt erlitten haben – und absolut unzureichend unterstützt werden. Indem wir Läden, Restaurants als Kunden in Europa gewinnen, also ausreichend Nachfrage erzeugen, sichern wir diesen Frauen die Unabhängigkeit, ein auskömmliches Leben. Darum geht es.

Werden die Aussichten dadurch besser, wenn die Blauhelm-Mission Minusma abzieht oder bereitet Ihnen das eher Sorgen?

Foto: Bes

Aïssata Soumaoro

33, ist Gründerin des Kollektivs Musow Lafia in Bamako, Mali.

Ich persönlich finde es gut, wenn die abziehen. Die Minusma ist jetzt seit 2002 im Land – und so richtig viel gebracht hat es nicht. Sicher, ein paar gute Sachen haben die auch gemacht. Manchmal haben sie beim Aufbau kleinerer Projekte geholfen, durch Finanzierung. Das ist aber eigentlich nur ein Minimum – und nicht, wofür die eigentlich da sind. Die hätten den Krieg und die Gewalt im Land stoppen sollen. Die Blauhelme verteilen stattdessen Brosamen, damit die Bevölkerung Ruhe gibt. Wie wir Projekte machen, wissen wir selbst. Auch ohne Friedenstruppe. Was wichtig wäre, wäre, den Norden des Landes zu befreien, denn dort hat Mali seine natürlichen Rohstoffe. Wichtig wäre, die Gewalt zu beenden und die Geiselhaft, in der sich unser Land befindet – dieser ständige Krieg, die Gewalt gegen Kinder, gegen Frauen.

Gibt’ s da einen Unterschied zwischen UN-Truppen und der französischen Armee?

Nein. Für uns ist das alles das Gleiche. Wir verjagen niemanden. Alle sind willkommen in Mali, die bereit sind, in Win-win-Situationen zu kooperieren. Aber wir brauchen die beide nicht.