Gefangenenlager in Guantánamo: „Grausam und entwürdigend“

Erstmals kann eine UN-Sonderberichterstatterin das US-Gefangenenlager besuchen. Ihr Bericht zeigt ein verheerendes Bild der Lage der Inhaftierten.

Demonstranten in orangen Anzügen vor dem Capitol

Demonstration gegen die Zustände in Guantanamo vor dem Capitol in Washington im April Foto: reuters

BERLIN taz | Auf eng beschriebenen 23 Seiten hat die UN-Sonderberichterstatterin Fionnuala Ní Aoláin am Montag einen Report über ihren Besuch im US-Gefangenenlager Guantánamo abgeliefert. Die Jura-Professorin aus Irland, die den Titel „Sonderberichterstatterin für die Förderung und den Schutz von Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten während des Kampfes gegen den Terrorismus“ trägt, kommt zu einem vernichtenden Urteil.

Faire Verfahren seien nicht gegeben und die Gefangenen seien einer fortdauernden „grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung“ ausgesetzt. Medizinische Versorgung sei vorhanden, aber mangelhaft. Die Folgen jahrelanger Folter, sexueller Misshandlungen, Schlaf- und Ernährungsentzugs hätten tiefe Traumata zurückgelassen. Der Kontakt zur Außenwelt und zu Angehörigen sei selbst bei jenen 16 Gefangenen unverhältnismäßig eingeschränkt, deren Freilassung bevorstehe. Und die Ausbildung des Wachpersonals in Sachen Menschenrechte, interkultureller Kompetenz und Umgang mit existierenden Traumata sei vollkommen unzureichend.

Im Ergebnis hätten alle 30 derzeitigen und rund 750 ehemaligen Insassen des nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 errichteten Camps ein Recht auf Entschädigung für das erlittene Unrecht.

Im Februar hatte Ní Aoláin als erste UN-Berichterstatterin das Camp besuchen können. Da waren noch 34 Insassen in Guantánamo. Ní Aoláin erkennt die Bestrebungen der derzeitigen US-Regierung zur vollen Kooperation an und attestiert ihr den Willen, Guantánamo aus dem seit über zwei Jahrzehnten andauernden Ausnahmestatus herauszuführen. Das hatte sich schon der frühere Präsident Barack Obama vorgenommen, der 2009 als erste Amtshandlung die Schließung des Lagers verfügt hatte, an der Umsetzung aber gescheitert war.

Der Bericht umfasst drei Themenbereiche: Die Lage der Opfer der Terroranschläge und ihrer Angehörigen, die der Gefangenen heute und die Lage der ehemaligen Insassen. Die derzeitigen Insassen seien durch Folter, jahrelange Verletzung aller Regeln für ein faires Verfahren sowie durch daraus folgende mentale Schädigungen nicht in der Lage, sich in einem Prozess selbst mit Rechtsbeistand zu verteidigen. Deshalb sei auch der fortgesetzte Freiheitsentzug als willkürlich zu bezeichnen.

Besser, aber nicht gut

Dabei erkennt die Sonderberichterstatterin an, dass sich die Bedingungen der Gefangenen in den letzten Jahren gegenüber der Anfangszeit deutlich verbessert haben, das hätten auch die Gefangenen bestätigt. Für diese allerdings sei die Linie zwischen Vergangenheit und Gegenwart sehr dünn: „Ihre früheren Foltererfahrungen leben in ihnen heute fort.“

Seit Öffnung des Lagers sind von dort 741 Gefangene entlassen worden, etwa 150 davon in 29 verschiedene Drittländer, die übrigen in ihre Herkunftsstaaten. Während es einigen der früheren Gefangenen gut gehe, litten viele an den Folgen der Haft und hätten auch während des Prozesses der Rückführung oder Umsiedlung weitere Menschenrechtsverletzungen erfahren.

In zahlreichen Gesprächen mit Opfern und ihren Angehörigen sei klar geworden, dass sowohl Schadensersatzleistungen als auch medizinische und psychologische Betreuung weit hinter den Anforderungen zurückblieben. Und: Sowohl die Existenz des menschenrechtlich untragbaren Gefangenenlagers Guantánamo als auch die fortdauernde Geheimhaltung wichtiger Unterlagen über den Hergang der Terroranschläge führten dazu, dass den Opfern ihr Recht auf Gerechtigkeit durch juristische Aufarbeitung bis heute verwehrt bleibe.

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