Wie Rock am Deich ins Wasser fiel

MUSIK Das Festival in Leer sollte wiederbelebt werden. Doch nach sechs Stunden war vorzeitig Schluss – mangels Besuchern

„An dem Abend herrschte zum Schluss wirklich pure Anarchie“

Steffen Dippke, Gastronom

Literweise Freibier, laute Gitarrenmusik, grelle Scheinwerfer – beim Leeraner Festival Rock am Deich war für alles gesorgt. Außer für genügend Besucher.

Der Auricher Veranstalter Toma-Events hatte angekündigt, dem Festival nach sechsjähriger Pause „zu neuem Glanz“ verhelfen zu wollen. Am Sonnabend um 13 Uhr ging es in der Ostfrieslandhalle los. 1.400 Karten soll das Unternehmen vorab verkauft haben, berichtete die Lokalpresse. Offenbar nicht genug: Als der Toma-Verantwortliche Markus Reck um 19 Uhr nur rund 400 Besucher vorfand, die alle 30 Euro oder mehr für die Karte bezahlt hatten, sagte er das Festival ab. Erst vier von 14 Bands hatten gespielt.

„Da war es schon fünf nach zwölf“, sagt Tjark Aßmus, der mit seinem Unternehmen Palitec für den Bühnenaufbau sorgte. Toma schulde ihm eine vierstellige Summe, sagt Aßmus. Mit acht Mitarbeitern war er im Einsatz. Als klar wurde, dass der Veranstalter nicht genug einnehmen wird, um die Dienstleister und die Bands zu bezahlen, stellte Palitec die Musik aus. Die Securities fingen an, die Halle zu räumen.

„An dem Abend herrschte zum Schluss wirklich pure Anarchie“, sagt der Gastronom Steffen Dippke. Ihm seien unzählige Getränke-Kisten geklaut worden. Nicht nur die Besucher hätten mitgenommen „was nicht niet- und nagelfest ist“, auch eine Band habe ihren Anspruch auf freie Getränke geltend gemacht. „Die haben unzählige Kisten in ihren Sprinter gepackt. Sowas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Dippke empört.

„Das war wie so eine Plünderung“, sagt Wilke Zierden. Er hat vier der Bands gebucht. „4 Lyn und Blackmail haben sofort ihre Sachen gepackt, als es hieß, dass sie kein Geld bekommen“, sagt der 24-Jährige. „Ein paar der Bands haben sich dann einfach alles genommen, was sie kriegen konnten.“ Die Bands aus der Gegend, deren Gage rund 150 Euro beträgt, seien bezahlt worden. „Die großen Bands kriegen keinen Cent“, sagt Zierden. „Woher denn auch?“

Markus Reck sei spurlos verschwunden, Zierden lacht. Eigentlich sei ihm Toma-Events für das Buchen der Bands noch 1.200 Euro schuldig. „Für die Besucher tut’s mir Leid. Die kriegen kein Geld zurück“, sagt er.

Tjark Aßmus schätzt die Schulden von Toma-Events auf bis zu 70.000 Euro. Der Verantwortliche Markus Reck bleibt für die Gläubiger und die taz unerreichbar. Die Telefonnummer des Unternehmens ist abgeschaltet worden. „Der meldet jetzt wahrscheinlich Insolvenz an“, sagt Aßmus, „dann hat sich das mit dem Geld erledigt.“ TIR