„Man merkt schnell, dass der Beruf wichtig und schön ist“

Ousmane Sarr*, 31 Jahre, aus Senegal. Er kam vor vier Jahren als Bufdi nach Deutschland und macht jetzt eine Ausbildung zum Pflegefachmann

Ich hatte mich in der Schule bewusst für Deutsch als Fremdsprache entschieden. Die Sprache gefiel mir und ich wusste, sie ist eine Tür zu meiner Zukunft. Mit Deutsch kann man Lehrer werden oder am Goethe-Institut arbeiten – oder versuchen, nach Deutschland zu gehen. Mein Vater sagte: Lernen lohnt sich immer. Nach dem Abitur habe ich in Dakar Germanistik studiert.

Ungefähr ab 2018 haben wir viele Anzeigen in den sozialen Medien gesehen, für einen Bundesfreiwilligendienst in Deutschland, für FSJ und für Ausbildungen. Ein Freund aus unserem Jahrgang ging als Erster an eine Rehaklinik in Niedersachsen, als Bufdi. Wir blieben die ganze Zeit in Kontakt. Er sagte: Es ist machbar. 2019 bin ich auch gegangen, an dieselbe Klinik. Ich wusste, man hilft Leuten, die sich von einer Krankheit erholen, das fand ich interessant. Erst mal das Jahr, dann weitersehen, dachte ich.

Beim Essen gespart

Die Klinik hatte eine Wohnung für uns gemietet, gegessen haben wir oft bei der Arbeit. So konnte ich von dem dünnen Lohn sogar schon etwas nach Hause schicken. Wenn man nach Europa geht und arbeitet, will man gerne die Familie unterstützen, das ist normal für uns.

Unsere Aufgabe als Bufdis war es, Patienten zu ihren Anwendungen zu bringen oder zum Essen und ihnen zum Beispiel mit Stützstrümpfen zu helfen. Man merkt schnell, dass der Beruf wichtig und schön ist. Zu einigen Patienten von damals habe ich immer noch Kontakt.

Ich komme aus einem kleinen Ort an der Küste von Senegal. Wir haben das Meer und den Fluss mit den schönen Mangroven. Ehrlich, wenn man nach Deutschland kommt, hat man erst mal einen Kulturschock. Die Arbeit war nicht das Problem. Aber die Speisen, das Wetter, wie die Menschen leben.

Wenn ich in meinem Dorf morgens aus dem Haus gehe, begrüße ich in Ruhe alle, die ich treffe. Wenn du hier morgens jemanden siehst, guckt er nur nach vorne – man sieht, der ist im Kopf schon bei seiner Arbeit. Natürlich kann man hier auch Hallo sagen, aber es ist anders. Normal, alle haben ihre eigene Kultur. Wir waren darauf vorbereitet, weil wir im Studium viel über Deutschland gelernt hatten. Trotzdem war es hart am Anfang.

Unser Glück war, dass wir früh eine Dame kennengelernt haben, die uns geholfen hat. Sie hat auch in der Rehaklinik gearbeitet. Bis heute ist sie unsere große Stütze. Wir waren drei Bufdis aus dem Senegal am Anfang, ein Jahr später drei neue, dann wieder neue, und für uns alle ist sie unsere deutsche Mama. Sie hat uns immer geholfen, in allen Situationen. Ohne Menschen wie sie wäre es sehr, sehr schwer. Behörden, Bewerbungen, Rundfunkgebühr, Arztbesuche, Bahnfahrten: Das alleine zu verstehen ist unmöglich.

Aber nicht alle Begegnungen sind gut. Menschen haben Vorurteile. Ich werde von Leuten angesprochen, die denken, ich verkaufe Drogen. Einer hat mich mit dem Fahrrad verfolgt deswegen, bis zu mir nach Hause. Das ist sehr verletzend. Ich habe noch nie geraucht oder Alkohol getrunken, ich habe damit nichts zu tun. Alle meine ausländischen Kollegen erleben das hier. Viele Leute denken auch, dass wir kein Deutsch können. Oder dass wir hier sind, weil wir in Afrika nichts zu essen haben. Oder dass wir als Flüchtlinge gekommen sind. Alles Dinge, die nicht wahr sind. Ich habe ein Visum beantragt, es bekommen und bin mit dem Flugzeug eingereist. Anders wäre ich nicht nach Europa gegangen.

Meine Stärke ist: Ich denke immer positiv. Ich habe Ziele. Ich weiß, wer ich bin, ich kenne meinen Wert. Aber: Ich akzeptiere nicht, wenn jemand meine Würde verletzt oder mich respektlos behandelt. Dann sage ich Stopp.

Ich bin jetzt seit vier Jahren in Deutschland. Nach dem Bufdi wusste ich, die Ausbildung zum Pflegefachmann ist das Richtige für mich. Bei uns im Senegal gibt es keine Altenheime, alte Menschen leben mit ihren Familien. Bevor ich hier war, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, was das ist. Jetzt weiß ich es genau.

Ich habe schon verschiedene Angebote für die Zeit nach dem Examen nächstes Jahr – Kinderpsychiatrie, Rehaklinik, Altenheim. Alle Bereiche machen mir Spaß, also mal sehen. Auch die Idee mit der ambulanten Pflege finde ich sehr gut. Nicht jeder will in ein Heim, und man kann die Wünsche der Menschen nicht ignorieren. Man hilft ihnen zu Hause und macht etwas Wichtiges für die Gesellschaft. Aber dafür brauche ich erst einen Führerschein.

Ich bin gut angekommen in Deutschland. Aber ich werde immer wieder zurück in die Heimat fahren, so oft es geht. Meine Frau und meine beiden Söhne sind dort. Gerade warte ich auf einen Termin bei der deutschen Botschaft in Dakar, für ein Visum, damit sie mich besuchen können. Es wäre schön, wenn wir richtig zusammenleben könnten, aber das ist nicht so einfach. Ich muss erst noch weiterkommen. Als Nächstes fliege ich aber zu ihnen, ich habe Urlaub. Es ist die dritte Heimreise seit 2019. Zu Hause ist zu Hause.

Protokoll: Anne Diekhoff