orte des wissens
: Monster am Werk

In der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wurde das finale Modul des Kompetenzzentrums Windenergie eröffnet. Es vermisst Drehkräfte

Robert Habeck, der grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat es nicht leicht, derzeit. Das Dauergefecht mit SPD und FDP, angeblich ja Bündnispartner, fordert Nerven. Da tut Entspannung gut. Die bot sich Anfang Juni in Braunschweig, bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Es galt, das obligatorische Band zu durchschneiden, zur Eröffnung des zweiten und finalen Moduls des „Kompetenzzentrums Windenergie“ (CCW). Es galt zu signieren, was Julia Hornig, Geschäftsführerin des CCW, augenzwinkernd das „blaue Monster“ nennt, einen 17 m langen und über 5 m hohen „Riesenbrocken aus Metall“, im Fachsprech „Drehmoment-Normalmess-Einrichtung“, die weltweit größte ihrer Art. Messgeräte für Drehkräfte, die in Windenergieanlagen auftreten, werden hier kalibriert.

Für Habeck war es ein Wohlfühl-Termin auf eigenem Territorium: Das nationale Metrologieinstitut ist eine Behörde in seinem Geschäftsbereich. „Wir setzen auf technologische Innovationen, um den eingeschlagenen Transformationsprozess unserer Energiesysteme weiter zu beschleunigen“, ließ Habeck verlauten. Mit 9,5 Millionen Euro hat das Ministerium, dessen Chef er heute ist, das Zen­trum von 2016 bis 2022 gefördert, für Technik und Personal. 5,5 Millionen steuerte die PTB selbst bei, für die Gebäude.

2018 wurde das erste Modul des CCW eingeweiht, mit Messtechnik zu geometrischen Größen und Windgeschwindigkeit. Jetzt ist das Ganze komplett. Das „Monster“ ist eine CCW-Eigenkonstruktion „von der ersten Schraube bis zur letzten Schweißnaht“, sagt Hornig, die selbst aus dem Maschinenbau kommt. „So etwas kann man ja nirgendwo kaufen. Die einzelnen Komponenten haben wir dann zum Bau ausgeschrieben.“ Man merkt Hornig die Begeisterung an: „Das ist ein echtes Goldstück an Maschine!“, sagt sie. „Jedes Mal, wenn ich in die Halle komme, geht mir das Herz auf. Wie cool!“

Die PTB, 2.200 Mitarbeitende stark, habe „Prüfstände für alles und jedes“, sagt Hornig. „Besser als wir ist in Deutschland niemand.“ Das ist eine Untertreibung, denn die PTB spielt im Weltmaßstab mit – sehr weit vorne. „Die USA sind unsere Kragenweite“, sagt Hornig, „Japan ist an der Spitze mit dabei.“ Danach wird’s dann schnell dünn. „Wir sind im Wettbewerb miteinander, aber auch Partner.“

Das Kernziel des CCW ist die Steigerung der Stromausbeute, Baueffizienz und Langlebigkeit von Windenergieanlagen. Daran zu arbeiten, macht „wirklich Spaß“, sagt Hornig. Aber auch Werften haben Interesse an dem blauen Monster. „In Schiffsmaschinen gibt’s ja auch Großes, das sich dreht“, sagt Hornig.

Die CCW-Messungen für den Windenergiesektor sind auf Modelle mit Gondel und Rotor fokussiert. Schwingmast-Technologien wie das spanische Vortex Bladeless, nicht zuletzt als weit geräuschärmer und vogelfreundlicher beworben, als kostengünstiger und wartungsärmer, als langlebiger und sparsamer bei Platzerfordernis und Baumaterial, zudem, bei Kleinmodellen, als weniger auffällig in der Landschaft, sind hier noch nicht aufgetaucht.

Sogar Werften sind stark an dem „blauen Monster“ interessiert. Denn auch da gibt es Großes, das sich dreht

Der Windenergiemarkt sei „stark unter Druck“, sagt Hornig. Rund 28.500 Windenergieanlagen gibt es derzeit in Deutschland, mit 58 Gigawatt Leistung. Das muss mehr werden, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Und das CCW arbeitet daran mit. Die Masten werden immer höher, die Rotorblätter immer länger, da sind extrem leistungsstarke Messanlagen gefordert. Denn exakte Zahlen sind immer besser als ein Sicherheitspuffer, der rein rechnerisch draufgeschlagen wird.

Die PTB tut also Gutes für die Energiewende, von der Photovoltaik bis zu grünem Wasserstoff. In ihrer langen Geschichte hat sie sich allerdings nicht immer mit Ruhm bedeckt. In der NS-Zeit ging es hier auch um Minen und Torpedos, die akustische Ortung von Artillerie. Das Führerprinzip griff, jüdische Mitarbeiter mussten gehen. Dagegen ist sie heute ein Paradies. Harff-Peter Schönherr