Angeblich gekaufte Listenplätze: Die Kriegskasse der AfD

In Niedersachsen wurden am Mittwoch Einsprüche gegen die Landtagswahl verhandelt. Vorwürfe gibt es gegen die AfD wegen fragwürdiger Zahlungen.

AfD-Abgeordnete halten Schilder mit der Aufschrift "Keine Heizung ist illegal" hoch

Wird vom Wahlprüfungsausschuss durchleuchtet: Niedersachsens AfD-Fraktion Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HANNOVER taz | Die Landtagswahl in Niedersachsen ist schon neun Monate her – doch seither rumort es im Hintergrund. Grund ist vor allem das Chaos rund um die Listenaufstellung der AfD. 22 Einsprüche gegen das Wahlergebnis liegen mittlerweile vor, zum ersten Mal befasste sich der Wahlprüfungsausschuss am Mittwoch in öffentlicher Sitzung mit ihnen.

Die Vorwürfe haben eine lange Vorgeschichte. Schon vor der Wahl erklärte der im Streit geschiedene Ex-AfD-Landtagsabgeordnete Christopher Emden in einem ZDF-Interview, er sei aufgefordert worden, für einen vorderen Listenplatz Geld zu bezahlen. 4.000 Euro seien dies in seinem Fall gewesen. Zahlbar auf ein Konto, auf das allein Ansgar Schledde Zugriff hatte – damals Landes-Vize, heute Fraktions-Vize der AfD. Gegen den wurden Ermittlungen eingeleitet und wieder eingestellt, die Staatsanwaltschaft Osnabrück hielt eine Untreue zulasten der Partei für nicht nachweisbar.

In den Augen des Ex-FDP-Landtagsabgeordneten Marco Genthe bedeutet dies allerdings noch lange nicht, dass damit nicht gegen das Wahlrecht verstoßen wurde. Der Rechtsanwalt hat gemeinsam mit dem ehemaligen Fraktionsmitarbeiter Alexander Grafe Einspruch eingelegt – als Privatpersonen, wie sie betonen, und nicht im Auftrag der FDP, die bei dieser Wahl aus dem Landtag flog.

Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergäbe sich, sagt Genthe, dass mindestens sechs der aktuellen AfD-Landtagsabgeordneten Geld auf dieses Konto eingezahlt haben – mit Betreffzeilen wie „Kriegskasse“, „Kk“ oder „Aktionskasse“. Rund 16.000 Euro sollen allein aus diesen Kreisen geflossen sein, 41.000 Euro insgesamt. Daraus bestritten wurden nach Genthes Ansicht Fahrt- und Hotelkosten von Delegierten, Barabhebungen für „Handgeld“, aber auch sonstige Gefälligkeiten – wie die Gebühren für eine medizinisch-psychologische Untersuchung eines Parteimitgliedes zur Rückerlangung des Führerscheins.

Wahlleiterin ist skeptisch

Allein daraus ergebe sich der Verdacht, das hier eben keine freie und geheime Wahl stattgefunden habe, sondern das Wahlergebnis beeinflusst wurde, argumentieren Genthe und Grafe. Zumal es sich um ein Mischkonto, auch zum privaten Gebrauch Schleddes, gehandelt habe und nicht um ein Parteikonto. Das sei also überhaupt nicht vergleichbar mit den üblichen Spenden von Mandatsträgern in anderen Parteien, die sich auf diese Weise an Wahlkampfkosten beteiligten. Da gäbe es nämlich Spendenbescheinigungen und Rechenschaftsberichte, die für Transparenz sorgten.

Und es ist nicht der einzige Punkt, an dem die beiden Liberalen die Listenaufstellung der AfD für anfechtbar halten. Auch der Vorstand sei nicht ausreichend legitimiert gewesen – der Landesvorsitzende Jens Kestner, ein Fan von Björn Höcke, sei nach langen internen Machtkämpfen aus dem Vorstand gedrängt worden, aber nicht ordnungsgemäß zurückgetreten.

Die Wahl des neuen Vorstandes sei hinzu nicht innerhalb der von der Satzung vorgesehen Fristen erfolgt. Und auch die Einsetzung einer Delegiertenversammlung zur Verabschiedung der Wahlliste sei zu kurzfristig und ohne Verankerung in der Satzung erfolgt.

Die Landeswahlleiterin hält dem entgegen, dass es für die tatsächliche Verknüpfung zwischen Listenplatz und Zahlung keine ausreichenden Beweise gebe – möglicherweise habe Emden sich auch bloß öffentlichkeitswirksam distanzieren wollen, um eine Wiedereinsetzung in sein Richteramt zu befördern. Satzungsfragen hätte sie in ihrem Amt ohnehin nicht zu prüfen gehabt – die konkrete Ausgestaltung von Wahlen liege im Bereich der Parteiautonomie. Sie müsse nur prüfen, ob die allgemeinen Wahlgrundsätze eingehalten wurden, und das sei hier der Fall gewesen.

Was die Arbeit des Ausschusses nicht einfacher macht, ist der krawallige Auftritt des Ex-AfDlers Friedhelm Pöppe, der ebenfalls Einspruch eingelegt hat, mit wüsten Vorwürfen von „Rechtsbeugung“ und „Dienstpflichtverletzungen“ um sich wirft und mit der Polizei droht, als man sich seiner Auffassung nicht umgehend beugt. Eine schnelle Entscheidung ist aber ohnehin nicht zu erwarten: Der Wahlprüfungsausschuss tagt nun im Geheimen weiter. Im September wird er eine Beschlussempfehlung für den Landtag vorbereiten. Gegen dessen Beschluss kann dann vor dem Staatsgerichtshof geklagt werden.

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