Geflüchtete aus der Ukraine: Mit Kitaplatz arbeitet sich’s besser

Rund 20 Prozent der geflüchteten Ukrai­ne­r*in­nen haben einen Job. Barrieren sind Aufenthaltstitel, Sprache und Kinderbetreuung.

Ein Schild mit ukrainischer Flagge, drumherum laufende Menschen

Hunderttausende Ukrai­ne­r*in­nen flüchteten nach dem 24. Februar 2022 nach Deutschland Foto: Andreas Friedrichs/imago

Viele ukrainische Geflüchtete haben sich gut in die deutsche Gesellschaft eingefunden. Wie eine neue Studie zeigt, will etwa die Hälfte von ihnen auch dauerhaft bleiben, nur sehr wenige der rund eine Million Ukrai­ne­r*in­nen haben Deutschland bisher wieder verlassen. Allerdings hemmen die Aufenthaltsregelungen sowie mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Kitaplätze die Integration der Geflüchteten, so die For­sche­r*in­nen bei der Vorstellung ihrer Ergebnisse am Mittwoch.

Für die Studie haben das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf), das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rund 6.500 u-krainische Geflüchtete befragt, die nach Kriegsbeginn nach Deutschland gekommen sind. Dabei zeigt sich eine Reihe positiver Entwicklungen. Fast 20 Prozent der Geflüchteten im arbeitsfähigen Alter haben hier einen Job gefunden. Außerdem leben die allermeisten inzwischen in Privatwohnungen und nicht mehr in staatlichen Unterkünften.

Auch beim Spracherwerb gibt es Fortschritte: Mittlerweile haben über drei Viertel der erwachsenen Ukrai­ne­r*in­nen in Deutschland einen Sprachkurs besucht. Yuliya Kosyakova vom IAB lobte: „Deutschland investiert sehr stark in Spracherwerb“, das ermögliche „nachhaltige Integration“ in Gesellschaft und Arbeitsmarkt. Fast alle Befragten gaben an, nach den Sprachkursen eine Arbeit aufnehmen zu wollen. Und auch das psychische Wohlbefinden der Ukrai­ne­r*in­nen habe sich seit der letzten Befragung im Sommer 2022 immerhin etwas gebessert, wobei vor allem Jugendliche und Menschen mit nahen Angehörigen in der Ukraine weiter vergleichsweise unglücklich sind.

Auffällige Probleme haben bisher vor allem alleinerziehende Mütter. Nur drei Prozent von ihnen arbeiten derzeit, nur wenige haben bisher Sprachkurse besucht. Die For­sche­r*in­nen führen das direkt auf fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zurück. Nur jedes zweite geflüchtete Kind aus der Ukraine besucht hier eine Kita, in der deutschen Gesamtgesellschaft sind es laut statistischem Bundesamt über 90 Prozent.

Umgekehrt zeigt sich in der Befragung der Ukrainer*innen: „Wer Betreuung gefunden hat, arbeitet mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit“, so Andreas Ette, Soziologe beim BiB. Sein Fazit: „Es lohnt sich, in Betreungsmöglichkeiten zu investieren.“ Nina Rother vom Bamf spricht hier von „klarem Handlungsbedarf“.

Neben dem Mangel an Kitaplätzen haben die For­sche­r*in­nen außerdem auch den vergleichsweise prekären Aufenthaltsstatus der ukrainischen Geflüchteten als Problem identifiziert. So plane ein Großteil der Ukrai­ne­r*in­nen inzwischen, längerfristig in Deutschland zu bleiben. Bisher ist ihr Aufenthalt über eine EU-Regelung aber nur bis Frühjahr 2024 gesichert. Das schaffe Unsicherheit: „Die Bundesregierung muss längerfristige Aufenthaltsperspektiven schaffen“, forderte deshalb Kosyakova vom IAB. Das würde auch die Einbindung der Ukrai­ne­r*in­nen in die deutsche Gesellschaft deutlich stärken. „Personen ohne Bleibeperspektive investieren weniger in Sprache, Beruf, gesellschaftliche und soziale Teilhabe.“

Vergleiche zu anderen Gruppen von Geflüchteten wollten die For­sche­r*in­nen am Mittwoch explizit nicht ziehen. Zu groß seien die Unterschiede bei den Regelungen für geflohene Ukrai­ne­r*in­nen im Vergleich mit den Bestimmungen für andere Geflüchtete in der Vergangenheit. So durchlaufen die Ukrai­ne­r*in­nen aufgrund einer Sonderregelung nicht das normale Asylverfahren. Sie durften zudem von Anfang an Wohnungen auf dem privaten Mietmarkt suchen anstatt in offiziellen Unterkünften untergebracht zu werden wie reguläre Asylbewerber*innen. Anders als diese unterliegen die Ukrai­ne­r*in­nen auch keinem Beschäftigungsverbot, konnten sich also von Beginn an Jobs suchen.

Andreas Ette vom BiB formuliert indirekt die Forderung danach, auch anderen Geflüchteten in Zukunft diese Freiheiten zuzugestehen: „Die Möglichkeit auf Jobsuche zu gehen erhöht die Bereitschaft, eine Sprache zu lernen“, sagte er. Und: „Private Unterbringung im Gegensatz zu Sammelunterkünften entlastet die staatlichen Strukturen.“

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