Nur Buhs für Münte – Jusos für Linkskurs

Die Jungsozialisten wettern gegen die Regierungslinie: Die SPD brauche eine Radikalwende nach links, forderten sie auf dem Bundeskongress in Leipzig – und pfeifen jeden aus, der das anders sieht. Der rechte Juso-Flügel fühlt sich ins Abseits gedrängt

AUS LEIPZIG SOLVEIG WRIGHT

Die Linie der Jusos hatte der Bundesvorsitzende vorgegeben: Mit der geballten Faust in der Tasche habe man die Reformen der Regierung mitgetragen, sagte Björn Böhning in einem Interview. Das Bild prägte den Bundeskongress in Leipzig. Es werde Zeit, mit der Faust auf den Tisch zu hauen, forderte mehr als ein Redner.

Die Jusos sehen sich im Aufwind. Die elf verlorenen Landtagswahlen hätten gezeigt, dass die Politik der Bundesregierung falsch sei. Sie habe sich von den Unternehmen erpressen lassen, sagte Böhning. Dies gelte es zu korrigieren. Für den Wahlkampf sei die Partei auf die Unterstützung der Jusos angewiesen. Die Linke im Nachwuchsverband ist so stark, dass die Kandidaten der Rechten nicht mehr in den Vorstand gewählt wurden. Wer sich zur Regierungslinie bekannte, wurde ausgebuht.

Immer wieder betonten die Sprecher, dass sie zwar bereit seien, den Wahlkampf der SPD mitzutragen, aber „für Hartz IV opfere ich meinen Sommer nicht“, sagte die Leipziger Jusovorsitzende Daniela Kolbe in der Eröffnungsrede. Die Partei müsse sich programmatisch erneuern. Andrea Nahles sagte, dass die SPD die Jusos noch nie so dringend benötigt habe wie jetzt, wo es um die Richtung der Partei gehe. „Und die Richtung heißt links!“

Entsprechend nannte Klaus Uwe Benneter, Generalsekretär der SPD, seinen Besuch beim Juso-Bundeskongress ironisch einen „echten Lustgewinn“. Seiner Rede hatten die Jusos fast regungslos gelauscht. Danach hagelte es Kritik. Positiv rechnete Böhning Benneter lediglich an, dass er sich der Diskussion stelle – nicht so wie andere. Gemeint war Wolfgang Clement. Dessen Äußerung, dass bei Hartz IV der Missbrauch bekämpft werden müsse, kommentierte Böhning: „Noch nie habe ich mich so geschämt.“ Angesichts der Stimmung nahm sich Franz Müntefering am zweiten Tag des Kongresses dann extra Zeit für die Jusos. Doch nicht einmal bei der Kritik an den Managergehältern (siehe unten) konnte er den Nachwuchs zu einer positiven Reaktion hinreißen. Als der Parteilinke Ottmar Schreiner vier Stunden später denselben Gedanken äußerte, wurde er frenetisch gefeiert. So sehr die Jusos die inhaltliche Diskussion forderten: Es ging nur noch um Freund oder Feind.

Müntefering gab sich souverän: „Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass man einfach sagt: Die letzten sieben Jahre waren falsch.“ Sein Appell an die Solidarität in der Partei wirkte jedoch verzweifelt. „Einen Wahlkampf des geringeren Übels“, lehnten die Jusos immer wieder ab. Benneter und Müntefering konnten den Delegierten keine Idee präsentieren, mit der sie sich hätten identifizieren können. Während Ottmar Schreiner oder Andrea Nahles, Sprecherin der Parteilinken und ehemalige Juso-Vorsitzende, ihre Vorstellungen für eine sozialere und gerechtere Welt entwickelten, verwiesen die Vertreter der Regierungslinie immer wieder auf das Geld, das für die Finanzierung der linken Forderungen fehle. So machten sie sich keine Freunde bei der Linken. Die vermeintlichen Sachzwänge seien Ausreden. Man müsse die Wohlhabenden mit Gesetzen in die Verantwortung nehmen.

Auch intern ist der Verband tief gespalten. Zwar wurde der Vorsitzende, Björn Böhning, mit knapp zwei Dritteln der Stimmen wieder gewählt, für die Jusos ein sensationell gutes Ergebnis. Bei der Wahl zu den Vertretern im Bundesvorstand aber kam es dann zum Eklat: Anita Nagel aus Hamburg wurde abgestraft. Sie steht dem parteirechten Seeheimer Kreis nahe. Nach der Wahl beklagten sich Vertreter aus Hamburg, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein darüber, dass das rechte Drittel der Jusos ausgegrenzt werde. Nagel trat beim zweiten Wahlgang nicht mehr an.

Ohnehin dürfte der Einfluss des Nachwuchses begrenzt sein. So sagte Müntefering, er finde es gut, dass sich der Nachwuchs so äußere. „Aber ob das sich so alles, oder auch nur einiges, im Wahlmanifest wiederfindet, wird man sehen.“