Ergebnisse des Nato-Gipfels in Vilnius: Brückenbauer dringend gesucht

Ein Beitritt in die EU oder Nato ist für die Ukraine in weiter Ferne, solange der Krieg tobt. Das ist ein Dilemma.

Präsident Selenski bei einer Pressekonferenz.

Beim Nato-Gipfel in Vilnius: der ukrainische Präsident Selenski Foto: Kacper Pempel/reuters

Emotionalität und Rationalität sind die beiden Pole, zwischen denen der Nato-Gipfel in Vilnius schwankte: zwischen Regierungen, die aufgrund ihrer geografischen Nähe zu Russland auf internationale rote Linien verzichten wollen, und solchen, denen allmählich schwindlig wird angesichts des enormen militärischen und finanziellen Aufwands und angesichts der möglichen weiteren Eskalation.

Deshalb endete das Spitzentreffen am 12. und 13. Juli für Kyjiw mit einem vagen Kompromiss. Auch der ukrainische Präsident schwankte zwischen Gefühl am ersten Gipfeltag und Vernunft am zweiten.

Schließlich ist es, rein rational betrachtet, unrealistisch, einem Land, in dem ein Krieg tobt, die Nato-Mitgliedschaft zu versprechen. Ein Waffenstillstand ist und bleibt die größte und drängendste Herausforderung. Ebenso unrealistisch ist es, einem Land, sei es der Ukraine oder der Türkei, die EU-Mitgliedschaft in Aussicht zu stellen, wenn die Liste der nötigen nationalen Reformen, der nicht erfüllten Menschenrechtsstandards noch so lang ist.

Immerhin bieten der in Vilnius gegründete Nato-­Ukraine-Rat „auf Augenhöhe“ und die beschlossenen Sicherheitsgarantien der G7-Staaten vermutlich ein wenig Trost – und bleiben in nächster Zeit die einzigen umsetzbaren Optionen.

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„As long as it takes“ geht nicht immer so weiter

Allein die USA haben inzwischen 75 Milliarden Dollar an humanitärer, finanzieller und militärischer Hilfe geleistet. Doch das „As long as it takes“ geht nicht einfach immer so weiter. Das „Gelegenheitsfenster“ für die Unterstützung der Ukraine schließe sich nach dem Sommer, befürchtet der tschechische Präsident und Ex-Nato-General Petr ­Pavel. Die Zuwendungen würden dann zusehends schrumpfen.

Selenski betont immer wieder, dass sein Land nicht bereit sei, für eine Beitrittsoption den Konflikt einzufrieren oder gar Gebiete herzugeben. Allerdings werden Waffen und ein Kandidatenstatus allein den Krieg nicht beenden. Die große Frage bleibt deshalb: Wie endet der Krieg? Es herrscht Ratlosigkeit. Die seit 2014 von Russland besetzten Gebiete, vor allem die Krim, wird Wladimir Putin jedenfalls nicht einfach so aufgeben.

Der Nato-Gipfel hat klar gezeigt, dass Brückenbauer mehr denn je gebraucht werden. Leider sind die Vermittler, die überhaupt infrage kommen – weil sie einen guten Draht zu Moskau und zu Kyjiw haben –, korrupte, populistische und selbstsüchtige Staatsmänner wie etwa Recep Tayyip Erdoğan.

Doch Akteure wie die Türkei, China und viele Länder des Globalen Südens haben wirksame Druckmittel gegen Putin in der Hand. Der Westen sollte sie ernst nehmen, damit der Krieg aufhört. Sonst wird Kyjiw langfristig vor die Wahl gestellt, entweder auf den EU- und Nato-Beitritt zu verzichten – oder eigene Gebiete abzugeben.

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Jahrgang 1982, ist Leiterin der taz Panter Stiftung. Zuvor war sie stellvertretende Auslandsressortleiterin und taz-Europa-Redakteurin. Bei der taz hat sie im Mai 2022 als Themen- und Nachrichtenchefin angefangen. Sie berichtet seit 2005 als freie Korrespondentin für Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender über Deutschland, Zentral- und Osteuropa. Ihre Karriere als Journalistin hat sie in Spanien gestartet und an der FU Berlin hat sie sich auf Osteuropa und Russland spezialisiert. Mehrere multimediale Projekte hat sie initiiert und durchgeführt, um Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern.

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