Krieg in der Ukraine: „Die schlimmste Nacht“

Wieder ist die ukrainische Hafenstadt Odessa beschossen worden. Russland spricht von „Racheakt“, derweil gab es auf der Krim erneut eine Explosion.

Feuerwehrmann steht in den Flammen.

In Flammen: Russlands Angriffe haben in Odessa große Flächen in Brand gesetzt Foto: Emergency Service Ukraine/reuters

KYJIW taz | „Heute haben wir die schlimmste Nacht seit Kriegsbeginn“, schreiben zwei Frauen aus Odessa über einen Messengerdienst morgens um vier Uhr. Wo es eingeschlagen hat? „Überall in der Stadt“, antworten sie. Mehr hätten sie auch nicht mitteilen dürfen, sonst wären sie mit dem ukrainischen Gesetz in Konflikt geraten. So darf in der Ukraine niemand bekannt geben, wo eine russische Rakete oder Drohne eingeschlagen hat. Und das dürfte auch die einzige sinnvolle Zensurmaßnahme in dem Land sein. Denn damit würde man ja den Feind wissen lassen, ob er sein Ziel getroffen hat oder nicht. Immer wieder wird auf Telegram-Kanälen gewarnt: „Bitte keine Fotos und keine Adressangaben von Einschlägen, sonst bekommt ihr Besuch – und der bringt keine Torte mit.“

Am Mittwochmorgen wurden dann die Schäden des erneuten russischen Luftangriffes auf Odessa von den ukrainischen Behörden bekanntgegeben. Dutzende Raketen und Drohnen hätten die Region angegriffen, berichtete der Telegram-Kanal Odessa Info unter Bezug auf offizielle Quellen. Betroffen gewesen seien vor allem die Häfen der Stadt, Getreide- und Ölterminals, Tanks, Verladeeinrichtungen und kritische Infrastruktur. Zehn Personen, darunter ein 9-jähriger Junge, mussten medizinisch behandelt werden.

Durch den Abschuss einer X-59-Rakete habe sich in einem Stadtteil von Odessa ein großer Krater gebildet. Dabei habe die Druckwelle mehrere Gebäude in der Umgebung beschädigt und drei Zivilisten verletzt. Dabei sei eine Fläche von 3.000 Quadratmetern in Brand geraten. Auch Hotels und Touristenzentren seien durch herabfallende Trümmerteile von angeschossenen Flugkörpern in der Gemeinde Koblevo in Brand geraten und beschädigt worden. Mehrere Wohnblöcke wurden durch die Druckwellen ebenfalls beschädigt, so Odessa Info.

Verkäuferin Olga hängt an der Stadt – wegen eines Liedes

Mit seinen gezielten Angriffen auf Getreideterminals und andere Hafenanlagen hat Russland offensichtlich eine Verschiffung ukrainischen Getreides verhindern wollen. Mit seinem Angriff auf Odessa und Tschernomorsk zeige Russland, wie es wirklich zur globalen Ernährungssicherheit stehe, zitiert das Portal nv.ua Michail Podoljak, den Berater des Chefs der Präsidialadministration. Die Angriffe, so Podoljak, seien auch Angriffe auf „das weltweite Nahrungsmittelprogramm“.

Russland bestätigte seinen Angriff, der nach russischen Angaben mehr als eine Stunde gedauert habe. Dieser sei ein „Racheakt an Objekten gewesen, an denen Terroranschläge gegen Russland mit unbemannten Booten vorbereitet worden sind“, so das russische Portal lenta.ru. Russland beschuldigt die Ukraine, in Odessa unbemannte Boote für den Anschlag auf die Krimbrücke in der Nacht zu Montag vorbereitet zu haben. Nicht nur der Hafen von Odessa war Ziel russischer Angriffe. Ukrainische Telegram-Kanäle zeigten auch Bilder eines zerstörten Friedhofs und des schwer in Mitleidenschaft geratenen Marktes „7. Kilometer“ und berichteten von Zerstörungen am Hafen von Tschernomorsk. Auch Mykolajew und Schitomir sind in der Nacht von russischen Raketen und Drohnen angegriffen worden. Angriffe auf Kyjiw konnten indes von der Flugabwehr abgewehrt werden.

Dass es ausgerechnet Odessa getroffen hat, trifft die Verkäuferin Olga besonders. Auch wenn sie in Kyjiw lebt, hängt sie an der Stadt am Schwarzen Meer. „Russlands beliebtester Barde, Wladimir Wysozkij, hat in einem Lied, das jeder in Russland und in der Ukraine kennt, die Stadt besungen, die er besonders liebt, erzählt sie. „Das Lied, in dem er besingt, warum er gerne nach Odessa fliegt, elektrisiert mich noch heute.“ Und sie ergänzt, dass nun aus Russland „nur noch Tödliches aus der Luft“ komme.

Auch von der russisch besetzten Krim wurden am Mittwoch neue Explosionen gemeldet. Offensichtlich durch einen Luftangriff ist auf einem Truppenübungsplatz ein Waffenlager in Brand geraten. Sergej Axionow, von Russland eingesetzter Statthalter der Krim, kündigte die Evakuierung von 2.000 Bewohnern von vier anliegenden Dörfern an. Zudem seien grenznahe russische Orte von ukrainischer Seite beschossen worden, unter anderem im Bezirk Belgorod. Dabei soll es nur zu Sachschäden gekommen sein.

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