Die Hacken zusammennehmen

Jetzt müssen Disziplin und Pragmatismus herrschen: Hamburgs SPD-Funktionäre beschließen auf Klausursitzung Thesenpapier für den Wahlkampf. Soziale Gerechtigkeit soll „Vorfahrt“ haben. Mindestlohn und Korrekturen bei Hartz IV gefordert

Von Markus Jox

Die Hamburger Sozialdemokratie sieht sich auf „klarem Kurs“ für etwaige vorgezogene Bundestagswahlen im September. Unter dem Titel „Vorfahrt für Zukunft und soziale Gerechtigkeit“ verabschiedeten Landesvorstand und Bürgerschaftsfraktion auf ihrer „Hamburg-Klausur“ am Sonnabend ein Thesenpapier, das in ein „Wahlmanifest“ der Bundes-SPD mit einfließen soll. Darin fordern die Genossen unter anderem einen gesetzlichen Mindestlohn, bessere Kinderbetreuung sowie eine Offensive für Bildung und Forschung. „Die Menschen“ hätten jetzt die Wahl zwischen „sozialer Marktwirtschaft und menschlicher Gestaltung der Globalisierung“ auf der einen sowie „enthemmtem Kapitalismus und rücksichtslosem Liberalismus“ auf der anderen Seite, spie die sozialdemokratische Wahlkampfkommunikationsmaschine Schlagwörter aus.

Zu Beginn der Klausur habe durchaus „Unsicherheit“ und „relativ großer Unmut“ geherrscht, berichtete Parteichef Mathias Petersen. So habe es „deutliche Kritik“ daran gegeben, „was aus so manchen sozialdemokratischen Mündern herauskommt“. Gemeint war damit nicht zuletzt der Bundestagsabgeordnete aus dem Bezirk Mitte: Johannes Kahrs hatte in der letzten Woche Bundespräsident Horst Köhler lauthals vorgeworfen, „eine Schmierenkomödie der billigsten Art“ aufzuführen. Mittlerweile habe Kahrs aber zugesagt, „die Hacken zusammenzunehmen“, berichtete Fraktionschef Michael Neumann. Es müssten jetzt „Disziplin und Pragmatismus“ herrschen.

Am Ende der Klausur will Petersen „bei der überwiegenden Mehrzahl“ seiner Genossen jedenfalls „Kampfeswillen“ ausgemacht haben. In allen sechs Hamburger Wahlkreisen gelte es erneut das Direktmandat zu ergattern, legte der Parteichef die Messlatte hoch: „Das wird ein harter Kampf werden.“

Die Hamburger Genossen seien sich darin einig, keinesfalls über „wildeste Kurswechsel“ oder einen Linksruck der SPD spekulieren zu wollen, betonte Neumann. Jetzt gelte es „gegen zwei konservative Parteien“ Wahlkampf zu führen: zum einen gegen „die neoliberale CDU der Frau Merkel“, und auf der anderen Seite gegen das Linksbündnis von „Herrn Lafontaine und Herrn Gysi, also gegen ein strukturkonservatives Sammelsurium aus Ewiggestrigen und Altkommunisten“. Was Deutschland unter einer CDU-Regierung blühe, könne man in Hamburg sehen, holzte Neumann weiter. Der hiesige CDU-Senat opfere „die Interessen der Schwächeren zugunsten der Wohlhabenden“.

„Ein Zurück von der Arbeitsmarktreform“ werde es mit der Hamburger SPD nicht geben, gab sich Petersen staatstragend-schröderesk. Allerdings fordere man Nachbesserungen bei Hartz IV, vor allem für ältere Langzeitarbeitslose. Außerdem müsse darüber nachgedacht werden, die Erbschaftssteuer gerechter zu gestalten und eine Sondersteuer für Menschen mit sehr hohen Einkommen zu erheben. Im Übrigen hätten „die meisten Genossen in den Distrikten schon begriffen, um was es jetzt geht“, blies Petersen zum Gefecht: „Wir kämpfen dafür, nicht zuzulassen, dass die Republik schwarz wird.“