Rohstoffe für die Transformation: Grönland setzt auf seltene Erden

Auf der Arktisinsel lagert ein riesiges Vorkommen der begehrten Metalle. Bei der aktuellen Nachfrage würde sich auch eine teure Ausbeutung lohnen.

Hubschrauber über Meer und Landschaft

Seit Jahrzehnten erkunden Firmen die Vorkommen auf Grönland: Hubschrauber mit Gesteinsproben Foto: Danita Delimont/imago

STOCKHOLM taz | Es soll Chinas Monopolstellung brechen und gleichzeitig blendende Aussichten für Investoren schaffen – das sagt die australische Minengesellschaft Tanbreez über ihr neues Bergbauprojekt: Sie will seltene Erden fördern. Und das in Grönland, wo das Vorhaben die Hoffnung weckt, die Einnahmen durch den Abbau von Bodenschätzen könnten die noch fehlende ökonomische Basis für eine Unabhängigkeit von Dänemark liefern. Mehr als die Hälfte der globalen Reserven an den begehrten Metallen sollen hier liegen. Das Projekt soll schon 2024 realisiert werden.

Killavaat Alannguat heißt die Gebirgskette mit dem Mineralienvorkommen. Gelegen ist sie auf dem Gebiet von Kujalleq, der südlichsten Gemeinde Grönlands. 22 Jahre lang dauern die Untersuchungen bereits, Hunderte von Bohrlöchern sind entstanden, rund 2.000 Analysen gemacht worden. Nun will Tanbreez Mining hier 15 Metalle der seltenen Erden gefunden haben. „Und dabei haben wir erst etwa 10 Prozent des potenziellen Erzgebiets untersucht“, schränkte der Tanbreez-Gründer Greg Barnes, der auch Geologe ist, im Gespräch mit grönländischen Medien ein.

Ähnlich wie die staatliche US Geological Survey schätzt der kanadische Informationsdienst „Mining Intelligence“ das Vorkommen als aktuell weltweit größtes Seltene-Erden-Projekt ein. Die Autoren stellen dabei auch einen Zusammenhang mit den Motiven des früheren US-Präsidenten Donald Trump her, der im August 2019 verkündet hatte, Grönland zu „kaufen“. Denn zeitlich sei dieses Angebot an Kopenhagen kurz nach einem Treffen von Barnes­ mit Vertretern der US-Administration erfolgt. Barnes hatte schon 2013 gegenüber der dänischen Tageszeitung Information von dem Vorkommen ­geschwärmt, das einen Minenbetrieb ermöglichen würde, „der im Prinzip 10.000 Jahre“ betrieben werden könne.

Vor drei Jahren hatte Tanbreez von der grönländischen Regierung eine bedingte Genehmigung erhalten, auf einer Fläche von 18 Quadratkilometern am Killavaat Alannguat „die im Mineral Eudialyt gefundenen Elemente abzubauen“. Die bis Ende 2022 gesetzte Deadline zur Einreichung weiterer Unterlagen und zur Stellung von Sicherheitsleistungen hatte Tanbreez nicht einhalten können, deshalb ist die Frist bis Ende 2023 verlängert worden. Im Mai nun hatte Tanbreez-Vorstandschef Christopher Messina die Hoffnung geäußert, das Fehlende im Laufe des Sommers nachliefern zu können, gleichzeitig aber auch auf noch offene Finanzierungsfragen verwiesen. Es gebe noch „Unsicherheiten, die der Finanzmarkt nicht mag“, sagte er.

Überraschend wenig Kritik

Anders als bei einem weiteren Minenprojekt, dem ebenfalls von einer australischem Gesellschaft betriebenem Kuannersuit-Vorkommen, gab es weder von der grönländischen Politik noch innerhalb der Bevölkerung große Bedenken gegenüber den Tanbreez-Plänen. Dabei liegen beide Mineralienvorkommen in ein und derselben geologischen Formation nur 16 Kilometer auseinander und nur durch einen Fjord getrennt. Aber in Kuannersuit war nicht nur der Abbau von seltenen Erden, sondern auch von Uran geplant. Das Killavaat-Alannguat-Vorkommen gilt als „uranfrei“.

Dabei scheint das gar nicht so eindeutig zu sein. Zum einen ist Eudialyt selbst leicht radioaktiv. Zum anderen hatte Tanbreez 2015 mitgeteilt, dass man im lizenzierten Untersuchungsgebiet auch Uran gefunden habe, und damals bereits Interesse signalisiert, es ebenfalls abzubauen.

Knackpunkt Uran

Für Umweltorganisationen wie die grönländische Anti-Atom-NGO Urani Naamik und Dänemarks Noah – Friends of the Earth ist das genug Grund für Zweifel. Gibt es wirklich keine Absicht, irgendwann doch Uran zu gewinnen? Und würde der geplante Eudialyt-Tagebau nicht mit möglichen Gesundheitsgefahren durch das Freiwerden radioaktiv belasteter Partikel verbunden sein? Man kritisiert eine insgesamt mangelhafte Faktengrundlage: Die Anhörungen, die der im Jahr 2020 erteilten Genehmigung zugrunde liegen, hätten bereits 2013 stattgefunden. Neue Entwicklungen und Erkenntnisse seien also nicht berücksichtigt.

„Sowohl Tanbreez als auch die Behörden bezeichnen die Mineralienvorkommen in Killavaat Alannguat als riesig, wenn sie das Projekt an internationale Investoren vermarkten“, kritisiert Mariane Paviasen von Urani Naamik. „Aber bei der Bewertung der Umweltauswirkungen werden sie als viel kleiner eingestuft.“ Auch fehle eine wirkliche Folgenanalyse, obwohl das geplante Abbaugebiet nahe der Unesco-Weltkulturerbestätte Kujataa liege. Und obwohl gerade die arktische Natur besonders anfällig ist, jede Umweltzerstörung dauerhaft sei und eine einmal eingeleitete Entwicklung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.

In Kujalleq mit seinen 6.300 EinwohnerInnen hofft man dagegen auf die versprochenen 80 Arbeitsplätze, die die Bürgermeisterin auf der Webseite der Gemeinde schon 2020 als „nahe bevorstehend“ ankündigte. Wobei der eigentliche Knackpunkt des ganzen Tanbreez-Projekts die Weiterverarbeitung des Eudialyts sein dürfte, das vor Ort offenbar nur abgebaut, zerkleinert und verschifft werden soll. Die seltenen Erden müssen in einem aufwendigen Verfahren aus dem Eudialyt herausgelöst und separiert werden. Das können bislang nur Anlagen in Russland und China. Laut Barnes ist nun auch in den USA eine Fabrik geplant.

Großer Investitionsbedarf

Das Problem nahezu aller hochfliegenden grönländischen Bergbauprojekte war bislang, dass der Abbau von Bodenschätzen aufgrund der geografischen, klimatischen und logistischen Bedingungen auf der Arktisinsel wesentlich teurer ist als für Vorkommen in anderen Regionen. Nachdem zum Jahresbeginn nach sechsjährigem Betrieb die Rubin-Mine Aappaluttoq schließen musste, sei in Grönland derzeit kein einziges bedeutendes Mineralunternehmen mehr in Betrieb, zog die Zeitung Sermitsiaq in der vergangenen Woche Bilanz.

Ein Grubenbetrieb ist also nur bei günstiger Konjunktur lohnend – oder weil aus politischen Gründen oder solchen der Versorgungssicherheit die Kosten als zweitrangig angesehen werden. Das ist aktuell bei seltenen Erden der Fall, die für die Verkehrs- wie für die Energiewende essenziell sind.

Gleichzeitig gibt es auch noch die politische Ebene, wächst unter vielen PolitikerInnen die Ungeduld, endlich der angestrebten Selbstständigkeit Grönlands einen entscheidenden Schritt näher zu kommen. Deshalb erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sogar das vor zwei Jahren beschlossene gesetzliche Verbot, auch Uranvorkommen zu suchen und auszubeuten, wieder aufgeweicht werden könnte.

Tatsächlich beschloss die sozialdemokratische Regierungspartei Siumut auf ihrem Parteitag am Wochenende eine Änderung ihres Parteiprogramms: Die Gewinnung von Rohstoffen soll auch dann möglich sein, wenn als Beiprodukt dabei Uran gefördert werde. Einschränkung: Es dürfe keine gesundheitlichen Gefahren für die lokale Bevölkerung geben. Zum Programm der Regierungskoalition aus der sozialistischen Inuit Ataqatigiit und Siumut steht das im Widerspruch.

Grönland und Dänemark drohen im Übrigen auch hohe Schadenersatzforderungen, falls die Grubengesellschaft Energy Transition Minerals mit einem Schiedsgerichtsverfahren in Kopenhagen Erfolg haben sollte. Ihr war mit dem im November 2021 beschlossenem Uranverbot die Weiterführung des Kuannersuit-Projekts unmöglich gemacht worden. Vor zwei Wochen legte der Konzern gegen die Regierungen in Nuuk und Kopenhagen Klage ein. Man beziffert den erlittenen Schaden auf „vorläufig“ 11,5 Milliarden US-Dollar. Was das Unternehmen vermutlich mit diesem Verfahren erreichen will: doch noch eine Abbaugenehmigung zu bekommen.

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