Wenn der Gast eine Pizza bestellt: Bitte ganz viel Prozent auf To-go

7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen wird das Gastronomiesterben nicht stoppen. Die Geringschätzung von Gastlichkeit hält keine Subvention auf.

Pizza in Pizzaschachtel.

Geht immer, besonders zu niedrigen Prozenten: Pizza Foto: Eugenio Marongiu/imago

Vor ein paar Wochen klingelte es, obwohl die Gasthaustür weit offen stand. Ich wartete ein bisschen, aber trotzdem: Der Klingler wollte nicht freiwillig ins Haus kommen. Am Hund konnte es nicht liegen, der war weit weg hinten im Garten. Ich schaute neugierig aus dem Haus. Mit gehörigem Sicherheitsabstand stand auf dem Gehweg ein Pizzabote, den großen Karton auf dem Arm und schaute mich entschuldigend an: „Haben Sie Pizza bestellt?“, fragte er.

Ich schaute meine Schürze hinunter und sagte: „Nein.“ „Vielleicht einer der Gäste?“, setzte er nach. „Vielleicht“, sagte ich, drehte mich um und brüllte so, wie es sich für einen Wirt eigentlich nicht gehört, ins Treppenhaus: „Pizza ist da!“ Ich kannte den Verdächtigen, an diesem Nachmittag hatte erst ein Gast eingecheckt. Und der tauchte kurze Zeit später verärgert auf. Vorwurfsvoll sagte er zum Mann vom Lieferdienst: „Ich hatte doch darum gebeten, dass Sie anrufen, wenn Sie da sind.“ Ich kam mir langsam vor, als wäre ich nicht in die Übergabe einer labberigen Pizza geplatzt, sondern von ein paar Gramm Haschisch. Wenigstens Schuldbewusstsein ist noch da, dachte ich, aber nicht mehr viel.

Ich muss ein bisschen ausholen, um zu erklären, wie diese Geschichte mit der Debatte um die Mehrwertsteuer in der Gastronomie zusammenpasst. Zu Zeiten der Pandemie sind die bis dahin üblichen 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt worden, um die Branche, die von den Coronamaßnahmen besonders betroffen war, zu unterstützen. Schon im vorigen Jahr ist die Steuererleichterung, die nur für Speisen, aber nicht für Getränke gilt, um ein weiteres Jahr verlängert worden, wegen des Krieges, der Inflation, der hohen Energiekosten, des Mindestlohns. Und die Lobbyverbände machen wieder mobil. 7 Prozent für immer, am besten auch auf Getränke, sonst besiegele die Regierung das Gastrosterben endgültig.

Klar, ich nehme die 7 Prozent gerne mit, aber ich finde – als Bürger – all diese Mehrwertsteuerdiskussionen im Hotel- und Gaststättenbereich inzwischen nur noch nervig. Ständig kommt irgendjemand um die Ecke und fordert eine Ermäßigung oder eine Erhöhung. Angefangen hat das alles 2009, als auf Initiative der FDP die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen im Hotel von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde. Weil die Partei kurz vorher eine Großspende einer Hotelkette erhalten hatte, auch Mövenpick-Steuer genannt. Was es seitdem nicht alles an Vorschlägen gibt: Steuer auf Fleisch hoch, für Kantinen runter, auf Zucker hoch, für Obst und Gemüse runter. Oder für Lebensmittel ganz weg. Aber wer glaubt schon, dass Markus Söder das ernst meint?

Alles außer Hundefutter

Wenn ich vor meiner Buchhaltung sitze, ärgern mich die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze nur: Getränke 19 Prozent, Lebensmittel 7 Prozent, Waren aus der Drogerie 19 Prozent, außer Hundefutter, da zahlt man nur 7. Die Gründe für die unterschiedliche Besteuerung sind allenfalls historisch. Ich muss auf meinen Hotelrechnungen unterschiedliche Sätze aufführen. Übernachtung und Speisen 7, Getränke 19 Prozent. Alles will eigens verbucht werden. Was das an Zeit kostet, kann mir keine Steuersatzermäßigung der Welt ersetzen.

Im Übrigen ist die hohe Umsatzsteuer nicht am Gastronomiesterben schuld, der niedrigere Satz wird den Umbruch der Branche nicht aufhalten, nur bremsen. Das entnehme ich aus den Zahlen des Hotel- und Gaststättenverbandes, die als Argumente gedacht sind, mit der geringeren Mehrwertsteuer weiterzumachen. In den vergangenen vier Jahren habe es historische Einbrüche gegeben, zuletzt ein Umsatzminus von über 12 Prozent. 36.000 Betriebe hätten aufgegeben, 16 Prozent aller Hotels und Gaststätten. Nur: In der Zeit war der Steuersatz schon ermäßigt, teilweise auf 5 Prozent. Die Zahl der Insolvenzen dagegen ist, gegenüber den Zeiten von vor Corona, verblüffend niedrig. Eine Pleitewelle gab es nie. All das spricht für mich dafür, dass viele Gastronomen die Coronazeit genutzt haben, Bilanz zu ziehen und einem Geschäftskonzept, das schon vorher nicht rentabel gewesen ist, den Stecker zu ziehen. Ob die Mehrwertsteuerlast bei solch grundsätzlichen Erwägungen ausschlaggebend war? Das bezweifle ich.

Ob mit 7 oder 19 Prozent, die grundlegenden Probleme bestehen fort: Es fehlt Personal, die Mieten werden – vor allem in den städtischen Bereichen – inzwischen auch für Gastronomen untragbar, und die behördlichen Auflagen sind ungleich höher, wenn man eine Voll­gastronomie führt und Leute an Tischen Platz finden sollen. Das führt zu dem großen Umbruch in der Branche, der inzwischen vom Imbiss- und To-go-Geschäft geprägt ist. Da braucht es nicht so viel Personal, man arbeitet auf kleinsten Raum, die Menschen essen zu Hause oder auf der Parkbank. Sie sind es manchmal nicht mehr anders gewohnt, wie ich im weiteren Gespräch mit meinem Pizza bestellenden Gast erfahren sollte. Der Mann wollte sich nicht in den Gastraum setzen.

Und wissen Sie was? Die Politik unterstützt das. Für Essen zum Mitnehmen und Lieferdienste gelten seit eh und je die 7 Prozent. Das wird auch ab 2024 so bleiben. Also wenn schon an der Mehrwersteuer geschraubt wird, dann bitte, Herr Lindner, vereinheitlichen Sie die Sätze und machen Sie, wenn ich ins Pizzaliefergeschäft einsteige, dass ich auch 19 Prozent auf die Margherita nehmen muss, wie jeder andere Gastronom auch.

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