taz-Thema der Woche

Timoschenko und die Fußball-EM

■ betr.: „EM möglicherweise ohne Merkel“, taz.de 29. 4. 12

Es ist ja wichtig sich für Frau Timoschenko einzusetzen, damit sie medizinisch versorgt wird. Dass in der Ukraine die Herrschenden die Menschenrechte nicht sonderlich interessieren ist ja seit langem bekannt. Aus diesem Grund ist die nun aufkommende Diskussion über das Leiden Timoschenkos von den offiziellen Stellen aus Politik und Fußballwirtschaft für mich ziemlich verlogen. Die interessieren sich dafür normalerweise auch nicht. Es kommt halt immer darauf an, wer das Unrecht begeht, die Despotentruppe in der Ukraine oder die Folterfreunde aus den USA.

JOACHIM P, taz.de

■ betr.: „EM möglicherweise ohne Merkel“, taz vom 29. 4. 12

Konsequent wäre es, wenn man als Regierungsmitglied überhaupt keine Staaten besucht, in denen unliebsame Menschen im Gefängnis sitzen. Dann gibt es aber sowohl für Merkel und Co. als auch für Gauck, nicht mehr viele Orte, in die sie reisen könnten. Ebenso ist es fragwürdig, sich auf nur eine(n) Gefangene(n) zu versteifen, schließlich wird Timoschenko wohl auch nicht die einzige schlecht behandelte Gefangene sein, abgesehen davon dass sie nicht erst seit gestern im Gefängnis sitzt.

Das ist nur heiße Luft, die Ukraine kommt während der EM sicherlich auch ohne Merkel und Friedrich aus. MARTIN, taz.de

■ betr.: „EM möglicherweise ohne Merkel“, taz vom 29. 4. 12

Dass die Verfahren gegen Timoschenko nicht rechtsstaatlich sind, steht außer Frage. Dennoch sollte eine aufgeklärte mitteleuropäische Zeitungsredaktion nicht der Demokratie-Saga des Timoschenko-Clans auf den Leim gehen. Was diese Dame mit ihrer Clique über Jahre hinterzogen hat (nur allein mit Erdgas-Provision geschätzte 120 Millionen US-Dollar pro Jahr), geht auf keine Kuhhaut. Die kalten Krieger im Westen (Merkel, Gauck inklusive) halten immer noch alles für „demokratisch“, was nur antirussisch genug ist. Das ist kurzsichtig, falsch und auch ein kleines bisschen dümmlich.

Fairer Prozess gegen Timoschenko, menschenwürdige Haftbedingungen, aber keine Absolution aus antirussischem Kalkül.

MARCO, taz.de

■ betr.: „Freispiel für Timoschenko“ u. a., taz vom 30. 4. 12

Die Fußball-EM, die vielen Tausende Fußballbegeisterten hierzulande und überall werden von der Politik zu ihren Zwecken benutzt, wie es die hysterisch umfassende Berichterstattung um Julia Timoschenko kaum verleugnen kann. Wie so oft wird es sich einmal mehr erweisen, dass es die Sorge um die Menschenrechte ganz gewiss nicht ist. Es sollte eigentlich empfohlen werden, wie es in der Fußballsprache so schön heißt, den Ball flach zu halten. Man müsste sich nur einmal die Mühe machen und die sportlichen Höhepunkte des Fußballs und anderer Sportarten in aller Welt der vergangenen Jahre betrachten, um zu erfahren, welche Menschen zu dieser Zeit in diesen Ländern gerade unter Verfolgung und Ungerechtigkeiten der Herrschenden zu leiden hatten. Und kein Tönchen war dazu am Rande des Sportereignisses je zu hören. Mit welchen Maßstäben und an welchen Interessen werden Menschenrechte gemessen, wäre dann zu fragen. Haben die Schleckerfrauen, haben Flüchtlinge dieser Welt, haben Asylbewerber hierzulande, hat ein Pfarrer König aus Jena und haben viele andere wegen engagierten Auftretens gegen Nazis jemals eine auch nur annähernde Aufmerksamkeit erhalten?

Und es sei auch noch erinnert an ein mörderisches Fußballspiel am 9. August in Kiew. Von den Nazis organisiert, ging es als Spiel des Todes in die Geschichte ein und am Eingang des Kiewer Stadions erinnert ein Gedenkstein daran. Der Zentralrat der Juden hat ein Gedenken daran empfohlen, wenn die EM beginnt.

Wann wurde darüber ausführlich berichtet und warum tun sich die Offiziellen des Fußballs und der Politik damit gerade so schwer? Wie glaubhaft und ehrlich erscheint unter diesen Gesichtspunkten alles das, was derzeit abläuft? ROLAND WINKLER, Aue

■ betr.: „Schrille Töne im Streit über Timoschenko“, taz vom 2. 5. 12

Sportler sind Menschen und Menschen machen Politik. Darum lassen sich sportliche Ereignisse und Politik nicht trennen.

Die Behandlung von Julia Timoschenko ist ein Skandal. Die ehemalige Premierministerin ist zwar kein Engel, doch würden wir beim aktuellen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mit den gleichen Ellen messen, würde er bei einem ordentlichen und fairen Prozess verurteilt. Insofern geht es bei Timoschenko alles andere als um Gerechtigkeit. Es ist die Abrechnung eines korrupten Regimes mit der einstigen Hoffnungsträgerin der orangen Revolution. Die Haltung von vielen großen Sportverbänden ist in dieser Beziehung sehr widersprüchlich und inkonsequent. Die Verbände stellen bei solch kritischen Situationen immer die Trennung von Politik und Sport in den Vordergrund, um im Nebensatz zu betonen, wie sehr eine Weltmeisterschaft oder sonst ein großes Ereignis die Zustände vor Ort positiv beeinflussen könne.

Auf einen einfachen Nenner gebracht, Geld verdienen und positive Publicity sind in Ordnung und alles andere wird der Einfachheit halber in der Prioritätensetzung ausgeblendet.

PASCAL MERZ, Sursee, Schweiz

■ betr.: „Berlin statt Kiew?“, taz.de 1. 5. 12

Die Fußball-EM zum Teil in der Ukraine stattfinden zu lassen beruht sowieso auf einem politischen „Unfall“. Eigentlich sollte sie als politisches Instrument dienen, die Ukraine dem Westen und insbesondere der Nato nahezubringen. Außerdem sollte die (russischfeindliche) Orange Revolution (die ein Umsturz war und nie die Mehrheit des ukrainischen Volkes repräsentierte) nach Kräften unterstützt werden. Passend dazu die Ideen der Grünen zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine zugunsten einer unpopulären politischen Kraft. Da diese Westvasallen kaum noch politisches Gewicht haben – mehren sich jetzt natürlich die „kritischen“ Stimmen. Timoschenko als westliche Verbündete ist ein Politikum, gibt da nur einen ersehnten Anlass – und schließlich ist man in Deutschland einem zusätzlichen (unverdienten) Euro und von Problemen ablenkenden Gladiatorenkämpfen nie abgeneigt. TODDI, taz.de

■ betr.: „Warum so spät?“, taz.de 3. 5. 12

Alles Heuchelei, egal ob in Österreich, Deutschland oder sonst wo … Alles redet plötzlich über Menschenrechte und Fußball in der Ukraine. Was ist denn mit China?

Wo sind denn die Merkels, Westerwelles, Röttgens usw., wenn es um das Schweineregime in China geht? Was machen Obama und H. Clinton? Nix, gar nix … Und warum ist das so …?! Weil sie am finanziellen Tropf der KP hängen.

Da geht es um Billionen von Dollars, genau um die Dollars, die sich in der Finanzkrise angeblich in Luft aufgelöst haben. Aber genau mit diesen Dollars kauft China im Moment den Westen auf. Da wird dann schon mal der Führer vom Folterstaat China von „Mutti“ über die Hannover Messe geführt und hofiert und die gute „Zusammenarbeit“ gelobt. Und jetzt in Wahlkampfzeiten eignet sich die Ukraine hervorragend, um sich mal als „Menschenrechtler“zu profilieren, da kann man nix verlieren und der Ball rollt eh. Nur Siemens wird das nicht so gefallen, denn komischerweise ziehen die in solchen Staaten immer die Fäden. Egal bei welchen großen Sportereignissen, die haben immer ihre dreckigen Finger im Spiel. Aber auch das Mörderregime in Syrien wurde mit Überwachungstechnik von Siemens ausgestattet. Das alles wäre doch mal ne Diskussion wert!

Jetzt ist aber erst mal EM, und dann geht man zur Tagesordnung über. Vielleicht ist bis dahin Frau Timoschenko ja bereits verhungert und der blinde Anwalt in China gehängt …

RALF ZIMMERMANN, taz.de

■ betr.: „Deppen aus dem Bundestag“, taz.de 1. 5. 12

Ich habe fast darauf gewartet, dass sich der deutsche Übermenschengeist endlich wieder Bahn bricht und die Verlegung nach Deutschland ins Spiel gebracht wird, weil Deutschland es eben alles viel besser kann. Die deutsche Polizei hat offenbar gar so wenig zu tun, dass sie provisorisch bereits die Austragung der Spiele in Deutschland durchgespielt hat, und dass Deutschland als „GröWMaZ“ eh alle zwei Jahre Gewehr bei Fuß steht, um den aktuellen Austragungsort zu kritisieren und die Verlegung nach Deutschland zu fordern, ist ja fast schon eine Tradition geworden.

Und während der Spiele in der Ukraine werden dann wieder Panzer nach Arabien verkauft und das Mandat der Besatzungstruppen in Afghanistan wird auch noch verlängert – auch das hat Tradition.

DEVIANT, taz.de

■ betr.: „Ukraine, da war doch was“, taz.de 2. 5. 12

Ist Frau Timoschenko unschuldig der Korruption, Steuerhinterziehung und des Amtsmissbrauchs? Wie oft hat Herr Westerwelle in den letzten Monaten die Menschenrechtsverletzungen in Guantanamo angeklagt? Wie entschlossen ist Frau Merkel gegen Herrn Sarkozy aufgetreten, um die rechtswidrige Ausweisung von EU-Bürgern (Roma) zu verhindern? Bitte, liebe Journalisten, stellt euch auch den unangenehmen Fragestellungen. Im politisch korrekten Chor mitsingen, kann nicht euer Auftrag sein! THOMAS EBERT, taz.de

■ betr.: „EM möglicherweise ohne Merkel“, taz.de 29. 4. 12

Sollte die denn mitspielen?

Ernsthaft: Das plötzliche Erwachen von politischem Gewissen bei Gauck, Merkel und Fußballrentner Hoeneß (Spon) ist nur noch peinlich. ESC in Baku, F1 in Bahrain. Nun also, wo’s wenig kostet, wird mutig boykottiert. Man hat ja als Politiker ansonsten keine Möglichkeiten, wie’s scheint.

Vorschlag: Die Klitschko-Brüder reisen mit und hauen Julia Timoschenko während des Spiels einfach raus. Hinterher werden alle Merkel bejubeln, wie immer. VIC, taz.de

■ betr.: „Berlin statt Kiew?“, taz.de 1. 5. 12

Dass die Ukraine zur Zeit der Vergabe der EM alles andere als demokratisch zu bezeichnen war, wussten damals unsere heuchlerischen Politiker. Ebenso sollten wir gelernt haben, dass eine „Blatter-Mafia-Fifa“ die Menschenrechte nicht interessiert. Eine „U-5%-FDP“ ebenso neoliberal nur an Kohle scheffeln denkt und auf Stimmenfang im Wahlkampf jeden Stiefel leckt. Wollte ein Herr Niebel das Entwicklungshilfeministerium auflösen, braucht man allerdings „personelle Räume“, um die befreundete Entourage auf Staatskosten unterzubringen.

Ja, Frau Timoschenko braucht Hilfe wie tausende andere Häftlinge in der Ukraine auch. Gewinnbringende Sportveranstaltungen machen einen Staat nicht besser, jedoch bringen sie Aufmerksamkeit, zumindest für einen kurzen Augenblick, während ehrliche Politik Jahre braucht, um Verhältnisse zu ändern. Dort nicht artig zu claquieren, ist ein kleines Zeichen der Solidarität mit den Andersdenkenden und Inhaftierten. KROETE, taz.de

Die inhaftierte ehemalige Regierungschefin der Ukraine, Julia Timoschenko, die wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, ist schwer erkrankt. Sie soll misshandelt worden sein, leidet an einem Bandscheibenvorfall und ist in den Hungerstreik getreten.

Seitdem fordern PolitikerInnen ihre Freilassung und drohen mit einem Boykott der diesjährigen Fußball-EM in der Ukraine. Bundespräsident Joachim Gauck sagte eine geplante Reise auf die Krim ab.

Auch wurde die Verlegung der EM-Spiele von deutschen Politikern ins Spiel gebracht. Andere wollen eine Staatenklage vor dem Europäischen Gerichtshof prüfen lassen. Österreichische Politiker werden der EM fernbleiben.

Nun will Deutschland doch vorerst auf einen politischen Boykott verzichten. Und die LeserInnen begleiten das politische Hin und Her mit ihren Beiträgen in der online-taz.