Rassismus in Südbrandenburg: Rechtsextreme vertreiben Familie

In Lieberose werden Neuzugezogene rassistisch bedroht – und fliehen zurück nach Berlin. Polizei ermittelt auch gegen einen Freund der Opfer.

Blick auf Kirche in Lieberose

Lieberose, ein brandenburgisches Idyll – und hinter der schönen Fassade leben viele Rechte

BERLIN taz | Eine Familie aus Bosnien ist wegen rassistischer Übergriffe durch Neonazis drei Tage nach ihrem Umzug nach Brandenburg wieder zurück nach Berlin geflohen. Wie Enisa B., die Mutter, im Gespräch mit der taz erzählt, hat die Familie, die 2015 nach Berlin gekommen war, Ende Juli eine Wohnung im dem 1.500-Ein­woh­ne­r*in­nen-Ort Lieberose, 30 Kilometer nördlich von Cottbus, bezogen. Doch bereits am ersten Abend nach dem Einzug erfuhr sie rassistische Anfeindungen.

So soll ein Mann alkoholisiert an Fenster geklopft und gerufen haben: „Ihr werdet hier nicht Wurzeln schlagen.“ Zudem soll er den Hitlergruß gezeigt und rassistische Beleidigungen gerufen haben. Einen Tage später sei die 11-jährige Tochter auf dem Heimweg auf eine Gruppe von sechs bis acht Jugendlichen, im Alter zwischen 16 und 25, gestoßen, die sie rassistisch belästigten. Zwei davon hätten Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und Bomberjacken getragen – Erkennungssymbole von Neonazis.

Enisa B., die währenddessen mit ihrer Tochter telefonierte, schickte den 16-jährigen Neffen, um die Tochter abzuholen. Auch er sei von der Gruppe angepöbelt worden. Einer der Angreifer habe ein Fahrradschloss dabeigehabt und Neffe und Tochter damit bedroht. Die Kinder seien daraufhin von der Gruppe bis nach Hause verfolgt worden, wo sie sich in der Wohnung verbarrikadierten.

Ein Freund der Familie ist dann nach Erzählung der Mutter der Gruppe mit einem Werkzeug entgegengetreten. Die Angreifer hätten sich darauf zunächst zurückgezogen, aber später am Abend seien einige zurückgekehrt. Sie hätten die Familie aufgefordert, den Ort zu verlassen, und auch mit Waffengewalt gedroht.

Mann als „Hitler“ im Ort bekannt

Nach den Schilderungen der Mutter haben Nachbarn auf die Täter eingeredet und der Familie davon abgeraten, die Polizei zu rufen, weil die Gruppe im Ort bekannt sei und das keine Konsequenzen habe. Die Polizeidirektion Süd teilte der taz mit, dass die Täter nicht polizeilich bekannt waren.

Die Familie habe sich bis in die Morgenstunden in der Wohnung eingeschlossen. Als die Angreifer sich schließlich entfernten, seien sie zurück nach Berlin gefahren. „Wir wollten den Kindern ein besseres Leben ermöglichen und sind stattdessen dahin gezogen, wo sie in Angst und Schrecken leben“, sagt die Mutter. Von den Nachbarn habe die Familie später zudem erfahren, dass der erste Angreifer in Lieberose bekannt sei und „Hitler“ genannt werde, er ist laut Lausitzer Rundschau auch polizeibekannt.

Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts auf Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung, so ein Sprecher auf Anfrage der taz. Doch auch gegen den Freund, der den Angreifern entgegentrat, liegt laut Polizei nun eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung vor. Martin Vesely von der Beratungsstelle Opferperspektive Brandenburg sagt dazu: „Wir kennen das aus anderen Fällen rechter Gewalt, dass Täter eine Art Täter-Opfer-Umkehr betreiben.“

Bürgermeisterin schweigt zum Fall

Die Familie hat nach dem Vorfall auch die Bürgermeisterin von Lieberose kontaktiert. Diese soll geantwortet haben, dass der Fall nicht in ihre Zuständigkeit falle, da sie nur ehrenamtliche Bürgermeisterin sei. Auf die Frage der taz, wer stattdessen zuständig sei, reagierte sie nicht. „Auch wenn es sich um ein Ehrenamt handelt, hat die Lokalpolitik eine Verantwortung“, kommentiert dies Vesely. „Ich würde mir wünschen, dass sie die Tat öffentlich verurteilt.“ Die Region in Südbrandenburg sei eine Hochburg rechter Organisationen. „Die haben auch eine wirtschaftliche Macht, der zu lange nichts entgegengestellt wurde“, so Vesely.

Die angegriffene Familie lebt nun in einer Notunterkunft in Berlin. Ihre Wohnung in Lieberose hat sie wieder gekündigt.

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