Geplatztes Bauprojekt in Hamburg: La Paloma, oje

Bei der Planung des Paloma-Viertels auf St. Pauli gab es eine beispielhafte Bürger:innenbeteiligung. Nun ist der Kompromiss hinfällig.

Skizze der verglasten Fassade des geplanten Paloma-Viertels

Maßgeschneidert für St.Pauli: So sah der Entwurf für das Paloma-Viertel aus Foto: ponnie_images/NLBeL_Rendering/dpa

HAMBURG taz | Ein deutschlandweit beispielhaftes Stadtplanungs- und Bürgerbeteiligungsprojekt droht in Hamburg zu scheitern. Der Investor des sogenannten Paloma-Viertels an der Reeperbahn will das Grundstück verkaufen. Stadt­teil­ak­ti­vis­t:in­nen fordern, dass auch ein neuer Eigentümer sich an die zusammen mit der Zivilgesellschaft entwickelten Pläne halten müsse.

Als im Sommer 2015 nach zähen Verhandlungen ein Kompromiss über die Zukunft des Areals an der Esso-Tankstelle an der Reeperbahn erzielt worden war, zeigten sich alle Beteiligten glücklich: Der Investor bekam grünes Licht von der Politik, ehemalige Be­woh­ne­r:in­nen und An­woh­ne­r:in­nen konnten umfassende Anforderungen an die Neubebauung des fortan ­Paloma-Viertel genannten Areals durchsetzen.

Und sogar die Politik feierte sich dafür, erstmals seit vielen Jahren auf St. Pauli nicht zu Verdrängungsprozessen beizutragen, sondern ihnen entgegenwirken zu können. Acht Jahre später ist jedoch klar: Der Kompromiss ist gescheitert. Der Eigentümer will das Areal nicht mehr bebauen, sondern verkaufen.

Der Investor Bayrische Hausbau bestätigt, dass er über den Verkauf des Geländes verhandelt. Das hatte vergangene Woche der städtische Wohnungskonzern Saga publik gemacht. „Die Saga prüft ein mögliches Engagement unter der Maßgabe der Realisierung öffentlich geförderten Wohnungsbaus“, sagte Saga-Sprecher Michael Ahrens. Zum Stand der Verhandlungen wollen sich beide Seiten bislang nicht äußern. Die Bayrische Hausbau schweigt zu den Gründen, warum sie verkaufen will.

Neustart bei der Planung?

Besonders bei Stadtteil­aktivist:innen, die am Beteiligungsprozess mitwirkten, ist das Entsetzen groß. „So verspielt man das Vertrauen von Bür­ge­r:in­nen auf St. Pauli, in Hamburg und anderswo“, kritisierte die Initiative „Esso-Häuser“.

Kurz vor Weihnachten 2013 hatten die Be­woh­ne­r:in­nen plötzlich wegen Einsturzgefahr ihre billigen Wohnungen in den Esso-Häusern aufgeben müssen. Ihre Häuser wurden gegen öffentlichen Protest abgerissen. Und auch die ursprünglichen Neubaupläne samt Eigentumswohnungen und großen Gewerbeflächen stießen auf Widerstand.

Dieser führte dazu, das An­woh­ne­r:in­nen und Ak­ti­vis­t:in­nen mittels einer „Planbude“ Einfluss auf die Neubebauung nehmen konnten: 60 Prozent der insgesamt 200 Neubauwohnungen sollten öffentlich gefördert werden, Eigentumswohnungen tabu sein. Hinzu kamen den Plänen nach ein öffentlicher Platz auf dem Dach und eine Stadtteilkantine. Auch der Musikclub Molotow sowie stadtteiltypisches Kleingewerbe sollten wieder Räume bekommen.

Doch seit dem Abriss klafft direkt neben dem Spielbudenplatz eine große Lücke, die durch Planen und Bauzäune von vorbeilaufenden Fuß­gän­ge­r:in­nen abgeschirmt ist. Jahrelang ging es mit dem Bebauungsplan nur schleppend voran, zuletzt wartete das zuständige Bezirksamt darauf, dass die Bayerische Hausbau einen Bauantrag einreichen würde.

Initiative fordert Festhalten an den Planungen

Selbst der Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, glaubt inzwischen nicht mehr daran, dass der Investor noch bauen wird. „Dann muss man sagen, das Projekt ist gegebenenfalls gescheitert, und wir müssen einen Neustart machen“, sagte er vergangene Woche im NDR-Sommerinterview.

Vor diesem Neustart fürchtet sich aber die Initiative Esso-Häuser: „Mehr als irritiert sind wir von der Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden, der davon redet, dass das ursprüngliche Konzept auch überarbeitet beziehungsweise gleich komplett verworfen werden könnte“, teilte sie mit.

Sollte die städtische Wohnungsgesellschaft Saga aber das Grundstück kaufen, ist fraglich, ob die bisherige Planung bestehen bleibt: Dann könnte das vom Investor angestrebte Idee für ein Hotel ebenso zur Disposition stehen wie die Wünsche der Anwohner:innen. Für die Ini­tiative ist aber klar, dass auch ein neuer Käufer „die Ergebnisse des einzigartigen Planungsprozesses umsetzen muss, die vom Stadtteil für den Stadtteil geplant wurden“.

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