Den Teufel befingern

WEIRDO Sir Richard Bishop ist ein Meister der ekstatischen Folkgitarre. Am Donnerstag spielter er traumversunken im NK

Seine Jazzimprovisationen sind slick, dazu steht im Kontrast wildes Akkordgeschrammel

VON SOPHIE JUNG

„This is going to be awesome.“ Sonst sagt Sir Richard Bishop nichts, als er die Bühne betritt. Und auf ebenso simple Art, lediglich mit Gitarre und ein paar Effektgeräten ausgestattet, wird der bärtige Weirdo aus Phoenix sein Versprechen einhalten. Vor zwei Jahren lockte Sir Richard Bishop, früher Teil der Seltsamband Sun City Girls, eine kleine Auslese an Zuschauern ins Westgermany, am Donnerstag trauen sich weitaus mehr zu seinem Konzert ins NK, einen relativ neuen Konzert- und Versuchsraum für experimentelle Musik an der Grenze zwischen Treptow und Neukölln.

In dem rohen Saal einer ehemaligen Hinterhoffabrik, zwischen rauen Wänden und Neonlicht im Hintergrund gibt sich der Sir nun seinen musikalischen Verkündungen aus Folk, Jazz, Blues und entlegeneren Genres hin. In einer Selbstversunkenheit, als säße der ergraute Folkmusiker einsam auf seiner eigenen Veranda und wäre nicht der Neugierde eines Berliner Publikums ausgesetzt, verliert er sich dabei in einer Gitarrenarbeit, deren eklektische Mischung die musikalische Freiheit eines Dilettanten besitzt.

Sir Richard Bishop ist ein Virtuose, wenn er seine disharmonischen Akkordfolgen ins Ekstatische beschleunigt, und er ist ein Komiker, wenn er simple Melodien ins Absurde wiederholt oder plötzlich mit einer verzerrten Interpretation des Evergreens „Somewhere Over the Rainbow“ aufwartet. Doch immer wieder ist er ein Träumer. Dann holt er mit hallendem Timbre einen meditativen Desertsound aus seiner Gitarre, der irgendwo zwischen der Wüste von Arizona und der Sahara schwebt.

Nur selten singt er zu seiner Gitarre. Wenn er es aber tut, dann kehrt er aus seiner Versunkenheit heraus, blickt ins Publikum und provoziert: „The next song is gonna be about incest“, kündigt er an und krakeelt mit rotziger Stimme und wilder Mimik Geschichten aus seiner Seele, die man sich nur in den verödetsten Trailersiedlungen der USA vorstellen kann. Lustvoll besingt der Gitarrist, dessen Plattencover gern auch mal Bilder von einer hinduistischen Göttin schmücken, einen Vatermord. Untermalt mit einem harmonisch-naiven Countrysound, lobt er dann die amerikanischen Weiten, in denen er des Vaters Leichenteile vergraben kann. „And his fingers tickle the corn“.

Die Parodie, die Sir Richard Bishop bei Gesang und Text so performativ und so böse hervorkehrt, ist grundsätzlich ein Motiv seiner Musik. Seine technisch raffinierten Jazzimprovisationen sind slick, dazu steht im Kontrast wildes Akkordgeschrammel. Diese Gebrochenheit zieht sich durch sein gesamtes Werk.

Auf die Frage, welchem Genre er seine Musik zuordnen würde, antwortet Bishop nur mit „keinem“ und fügt hinzu: „Wenn es eines gäbe, würde ich sofort wieder andere Musik machen.“ Diese Antwort gibt er nicht nur biertrunken nach seinem Konzert an der Theke, sondern sie scheint für ihn ein Grund zu sein, sich musikalisch in exotischen Winkeln zu bewegen. Schließlich zeigen seine unzähligen Soloalben die unaufhörliche Suche nach neuen Sounds.

Bei John Faheys Folk-Label Revenant Records veröffentlichte Bishop 1997 sein Debütalbum „Salvador Kali“, in dem bereits unterschiedlichste Folk-Einflüsse zum Tragen kamen. Für das britische Label Locust spielte er zunächst pure Gitarrenakustik ein, die den Riffs und Licks eines Django Reinhardt nahe kam, um dann mit dem Album „Demonika Electronica“ ein reines Elektroexperiment zu wagen. Von indischen Sounds ließ er sich in einem späteren Album, 2007 bei Drag City erschienen, inspirieren, während seine letzte Soloplatte eine Hommage an Musiktraditionen aus dem Maghreb ist, die er gemeinsam mit einem ägyptischen Gitarristen und einer vollbesetzten Band einspielte. Aus diesen und anderen Alben seines Repertoires spielte Sir Richard Bishop am Donnerstagabend. Dabei experimentiert, changiert, explodiert und implodiert er, „fingerin’ the devil“.